Erste Eindrücke aus Bangladesch

Liebe Leser,

Ich habe es im Vorfeld nicht groß angekündigt, aber im Moment bin ich in Bangladesch. Und zwar für die nächsten drei Wochen. Mit dabei sind meine Studienkollegen Samy und Anja, sowie Anjas Vater, der selbst schon mehrmals in Bangladesch war. Anja möchte als Bachelor-Arbeit einen Dokumentarfilm über den indigenen Volksstamm der Garo (Mandi) in Nordbangladesch drehen. Samy ist als Kameramann dabei und ich bin für den Ton zuständig. Das ist zwar nicht mein Haupt-Metier, aber in diesem Fall bin ich gern mitgekommen, weil es mir sehr wichtig ist, möglichst viel Erfahrung bei Dokudrehs zu sammeln. Den Posten als Tonmeister hab ich übrigens ganz spontan angenommen, nachdem kurz vor der geplanten Abreise spontan Ersatz gesucht werden musste. Nun bin ich also Teil dieses kleinen Filmteams, und natürlich möchte ich auf diesem Blog wieder fleißig über die Reise und den Dreh berichten.

Wir sind seit Sonntag, dem 02. Februar hier. Die ersten zwei Nächte haben wir bei einer Freundin von Anja gewohnt, die in der deutschen Botschaft arbeitet. Dementsprechend befand sich das Appartement in einer sehr schönen, modernen Wohngegend, die das echte Bangladesch ein bisschen ausgrenzt. Hier, in Gulshan, wohnen die Reichen des Landes, und die ausländischen Unternehmer, Botschafter und Auswanderer in schönen hohen Häusern: unter sich und in verhältnismäßig ruhiger und sauberer Lage. Das Viertel ist sehr ordentlich und grün.

Wir hatten zwei schöne Gästezimmer, und haben uns nach dem langen und für mich eher anstrengenden Flug gefreut, ruhig zu starten.

Die Ruhe war jedoch von kurzer Dauer. Da wir Dhaka schon bald verlassen wollten, hatte Anja eine Führung durch Old Dhaka organisiert, das authentische Stadtzentrum von Dhaka an den Ufern des Buriganga. Ganz früh machten wir uns auf den Weg und trafen Nur, einen Bewohner Old Dhakas, der die gelegentlichen Besucher durch seine Heimat führt. Man muss dazusagen, dass es wirklich nur sehr wenige Touristen oder Reisende gibt, auch Backpacker haben das Land noch gar nicht für sich entdeckt. Der größte Teil der Gäste kommt nur beruflich nach Bangladesch. Dementsprechend sind die Bewohner Dhakas absolut nicht an Touristen gewöhnt. Man fällt auf, wird aber nicht als Geldquelle gesehen, sondern mit sehr großer Herzlichkeit empfangen. Die Menschen waren immer sehr erfreut, wenn sie uns sahen, haben gelächelt oder gegrüßt und sich bereitwillig für Fotos angeboten. Wir haben so viele Eindrücke bekommen: die Straßen von Old Dhaka sind bunt und voller Leben. Es gibt sehr viel zu entdecken. Zuerst führte uns Nur durch ein Viertel am Fluss, in dem es besonders viele Händler gab. Er zeigte uns aber über versteckte Treppen auch die vielen Betriebe in diesem Viertel. In den Hinterzimmern wurden zum Beispiel mit alten Druckpressen gebundene Ausgaben des Koran hergellt.

Anschließend besuchten wir die Werft, wo Arbeiter in Handarbeit riesige Schiffe aus Stahl bauen. Wir sind auf einen dieser kernlosen Schiffskörper gestiegen, über ein schmales Brett, das schräg die Bordwand hinaufführt. Oben saßen Männer mit kleinen Schweißgeräten, die mit Strom betrieben wurden. Die Batterie war eine offene, mit Säure gefüllte Kiste, in die Spulen gelegt werden. Ein Arbeiter erzählte uns, dass er auch schon in Singapur Schiffe gebaut habe, er sei nun aber zurückgekehrt nach Bangladesch, wo man die Schiffe ohne große Maschinen baut. Auch Kinder arbeiten in der Werft, hauptsächlich in den Schmiedewerken, in denen die Schiffsschrauben hergestellt werden.

Anschließend zeigte uns Nur einen Stadtteil, in dem in Häusern von bis zu sechs Stockwerken jede Menge Textilfabriken eingezogen sind. In kleinen Zimmern werden hier Hosen, Jacken, Pullover und alles andere Erdenkliche genäht. In Old Dhaka werden allerdings nur die Dinge für den eigenen Markt hergestellt. Die Export-Textilfabriken befinden sich außerhalb der Stadt in oft deutlich moderneren Gebäuden.

Viele Eindrücke lassen sich gar nicht richtig einsortieren. Die Altstadt von Dhaka lockt mit einem bunten Chaos, die gesamte Tour war für mich unglaublich spannend. Beeindruckend waren auch die riesigen Schiffe auf dem Fluss, die Tausende Arbeiter jeden Morgen zur Arbeit bringen und am Abend wieder in den Orten verteilen. Bis zu zweihundert Boote liegen an beiden Seiten des Buriganga.

Mir hat es das Land bis jetzt wirklich angetan, die Menschen sind sehr freundlich, und das obwohl sie kein leichtes Leben führen. Es fühlt sich allerdings nicht nach Elend an, die Menschen wirken eher zuversichtlich und arbeiten hart und ohne Verzweiflung. Gelegentlich sahen wir Bettler – auch Kinder – die allermeisten Leute haben aber irgendwie einen Weg gefunden, Geld zu verdienen. Ich war sehr fasziniert von dieser zuversichtlich wirkenden Geschäftigkeit. Ich möchte das weiter beobachten, aber ich habe den Eindruck, dass es sich bei den Bangladeschies um ein wirklich freundliches und außergewöhnliches Volk handelt. Ich habe ja noch viel Zeit für weitere Eindrücke, aber so wirkte Dhaka nach einem Tag auf mich.

Heute haben wir Dhaka bereits verlassen, und sind nun für eine Nacht in Maimansingh. Von hier fahren wir morgen in ein Dorf der Mandi, wo unsere eigentlichen Dreharbeiten beginnen.

Ich hoffe, dass ich auch von dort aus schreiben kann, um euch weiterhin auf dem Laufenden zu halten!

Bis dahin liebe Grüße aus Bangladesch,
Jonas

Das könnte Dich auch interessieren …

7 Antworten

  1. Heiko sagt:

    Hallo Jonas, hab den link zu Deinem Reiseblock von Birgit, also Anja’s Mutter bekommen! Eigentlich hätt ich erst heute Abend anfangen können in Ruhe zu lesen, aber ich bin gleich nach den ersten Sätzen und vor allem den ersten Bildern … hängengeblieben! Sehr toll geschrieben, kurzweilig, informativ… und natürlich MEGA BEEINDRUCKENDE Bilder! Bitte unbedingt weiter so! Ich werd Euch auf alle Fälle über diesen Blog weiterhin begleiten und bin Dir dankbar dafür, dass Du mir diese Möglichkeit gibst! Es fühlt sich an als sei man selbst mit dabei! Bitte weiter so! Euch weiterhin eine gute und vor allem sichere Reise und viel Erfolg bei den Dreharbeiten! Liebe Grüße Heiko ps: bin übrigens der “Papa” von “Giraffi” … ahahaaa 😉 😀 Passt bitte gut auf sie auf! Und bin gespannt ob sie es auch mal mit einem Kurzauftritt in Deinen Blog schafft 😉

    • Jonas sagt:

      Lieber Heiko, vielen Dank für’s Lesen und deine lieben Worte 🙂 ich freue mich dass dir der Blog gefällt, und gebe mir auch in Zukunft viel Mühe 😀 bis bald also, Jonas

  2. Simone sagt:

    Danke, dass ich euch durch deinen Bericht und die gigantischen Fotos so nah sein darf. Passt gut auf euch auf und habt weiterhin viel Spass und Erfolg
    Simone, Freundin von Anja und ihrer Familie

  3. Birgit Haas sagt:

    Lieber Jonas! Ich finde du machst sehr eindrückliche Bilder! Ich sauge alles auf, was du schreibst. Bin sooo gespannt, was ihr noch alles erlebt! Viel Freude und Kraft euch allen, und danke für deine (in Bilder eingefangenen) Augenblicke😍
    LG Birgit

  4. Stefan Kolberg sagt:

    Hi Jonas,
    ganz bewegend! Deine Portraits, beeindruckend … so natürlich, ein Tor zu den Menschen … und deren Lebenswelt.
    Stefan, Anjas Onkel aus Bayern
    Gruß an die Anderen

  5. Peter Fedon sagt:

    Hallo Jonas,
    eindurcksvolle Fotos und ein Text, der sehr sensibel die Eindrücke des Beobachters beschreibt. Herzlichen Glückwunsch, das ist super gut gelungen!
    Wenn es die Pandemie wieder erlaubt, würde ich das auch gerne persönlich mitteilen.
    Bis dahin alles Gute und herzlichen Dank,

    Peter Fedon
    AG Partnerschaft mit der Gemeinde St. Peter in Dhakua

    • Jonas sagt:

      Lieber Peter,
      danke für deine Nachricht und deine netten Worte! Sehr gerne, hoffen wir, dass sich die Lage bald wieder beruhigt :/
      Liebe Grüße,
      Jonas

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert