Advent in luftigen Höhen

Liebe Leserinnen und Leser,

Weihnachten naht – aber für mich persönlich ist der heilige Abend gar nicht so ein wichtiges Fest. In diesem Jahr werden wir ohnehin keine Zeit für irgendwelche Feierlichkeiten haben. Eric und ich ziehen am 22. Dezember aus unserer Stadtwohnung aus und beginnen dann direkt unsere große Reise. Trotzdem hielt dieser Dezember eine sehr interessante Weihnachtsüberraschung für mich bereit. Noch in der Adventszeit drehten wir für die panamesische Fluglinie Copa Airline.

“Everything about this Project is stupid!”, sagte einer meiner Kollegen über das geplante Projekt. In der Tat waren die Vorstellungen der Fluglinie bemerkenswert: Seit 25 Jahren gibt es bei Copa Airline eine Weihnachtstradition. Sie schenken den Kindern von ärmeren Familien, die in einer Siedlung in der Nähe des Flughafens leben, einen Rundflug über Panama. Denn diese Kinder sehen jeden Tag Flugzeuge, können aber aktuell nicht einfach so verreisen. Ein Rundflug ist also ein schönes Geschenk für sie. Diese Tradition wurde von der Öffentlichkeit weitestgehend nicht verfolgt. Dieses Jahr sollte sich das ändern: Die luftige Reise feierte ihr 25-jähriges Jubiläum, und so sah man wohl eine Chance für einen großen öffentlichen Auftritt. Das Event soll dieses Jahr in vollem Umfang in den sozialen Medien präsentiert werden, und Cine Animal wurde ausgewählt, für Instagram, YouTube und Co. zu filmen.

Statt der flughafennahen Stadtkinder haben die Veranstalter dieses Jahr Kinder aus weit entfernten Bergen eingeladen. Kinder, die den Wald und die Berge noch nie verlassen haben. Kinder, die noch nie in ihrem Leben eine Stadt gesehen haben, noch nie den Ozean und erst recht kein Flugzeug. Sie leben mit ihren Familien sehr abgelegen und isoliert. Viele der dort lebenden Kinder gehen nicht zur Schule. Die wenigen, die es tun, müssen täglich einen sehr weiten Weg zurücklegen, teilweise bis zu drei Stunden zu Fuß. Die Überraschung war groß, als eines Tages die Mitarbeiter von Copa in der Schule standen – um die Kinder für ihre „vielen gesammelten Meilen“ mit einem Freiflug zu belohnen.

Unser Dreh begann am Sonntag, als die Kinder mit Bussen von ihrer Schule abgeholt wurden, und nach Panama City gefahren wurden. Wir haben die gesamte Fahrt gefilmt und beobachten können, wie sehr sich die Kinder freuten, als sie die große, interessante Stadt erblickten. Sie wurden in den Unterkünften eines Sportparks untergebracht, und hier haben wir sie am Montagmorgen auch abgeholt. Und damit begann für die Kinder ein wahnsinnig turbulenter Tag!

Frühmorgens wurden die Kinder in das Hauptquartier der Airline gefahren. Dort gab es ein aufwendig zubereitetes Frühstück. Die Kinder wurden von allen anwesenden Mitarbeitern bejubelt und umarmt, jedenfalls kaum in Ruhe gelassen. Allgemein gaben sich die anwesenden Erwachsenen alle erdenkliche Mühe, ein Bild zuckersüßer guter Laune zu vermitteln. Das kam dem (Werbe‑)Film natürlich zugute, überforderte aber die Kinder (und mich ebenso).

Im Flughafen erreichte das Feuerwerk der gespielten Freude ein neues Höchstmaß, denn als wir eintraten, fing ein riesiger Chor zu singen an, Musiker spielten dazu und große verkleidete Mickymäuse hießen uns willkommen. Ein bisschen beruhigen konnte ich mich dann, als es in  gewohnter Weise an den Ticketschalter und anschließend durch die Sicherheitskontrolle ging. Am Gate herrschte wieder die allgemeine Heiterkeit, auch hier bunte Kostüme, Musiker und Sänger. Und dann ging es endlich in den Flieger. „Gebt mir ein C, gebt mir ein O, gebt mir ein P, gebt mir ein A! COPA!!!“ Spätestens jetzt musste klar sein, wer bei diesem Event im Mittelpunkt steht. Die Stewardessen waren ebenfalls verkleidet und den Kindern wurde im Flugzeug noch ein großer Rucksack – quasi das „Handgepäck“ – geschenkt. Und dann ging es los. Der Flieger beschleunigte und hob ab. Und das hat mich sehr beeindruckt: Trotz der starken Hektik im Vorfeld und dem Druck, sich zu präsentieren, waren die Kinder nicht genervt, sondern immer noch voller Vorfreude. Sie haben den Flug tatsächlich in vollen Zügen genossen, ohne sich irgendwie vom seltsamen Treiben der Erwachsenen beeinflussen zu lassen. Keines hatte jemals einen Flieger auch nur gesehen, und so war natürlich die Aufregung groß. Die Kinder hatten keine Angst, im Gegenteil, alle stapelten sich hinter den Fenstern und bestaunten die kleinen Häuser der Stadt, den Ozean und die vielen Inseln im tiefblauen Meer. Wir sind hauptsächlich über dem Kanal geflogen, und besonders die große Bucht auf der Nordseite war schön anzusehen. Mich hat beeindruckt, wie sehr die Kinder den Moment genossen haben. Einige holten Blöcke und Stifte aus den Rucksäcken und fingen an, das Flugzeug zu zeichnen.

Die nächste Stunde verging wie im Flug (haha) und schon landeten wir wieder. Sehr unsanft, wie ich als Vielflieger zu sagen weiß, aber die Kinder schöpften keinen Verdacht. Im Terminal erwartete uns dann ein buntes Winterwunderland. Große Tische mit den erlesensten Speisen, Spiele, Musik, der Weihnachtsmann persönlich und gefühlt tausende mit Helium befüllte Ballons. Für alle gab es ein großes Festmahl und anschließend Geschenke. Jedes der Kinder wurde noch für ein kurzes Foto dem Weihnachtsmann auf den Schoß geworfen, und irgendwann kehrte Ruhe ein. Die Kinder verabschiedeten sich und wurden auf die nächsten Jahre in den Wald zurückgebracht.

Ich muss schon sagen, zuerst war ich ein bisschen verärgert über den Ansatz, den die Airline hier verfolgt hatte. Die Kinder wurden ja mehr oder weniger nur herumgeschoben, und vor allem für die Kameras beschenkt. Das hat mich beunruhigt, aber nach zwei Tagen hatte ich zu meiner Überraschung trotzdem den Eindruck, dass die Kinder eine gute Zeit hatten. Irgendwie konnten sie den unwichtigen Trubel gut ausblenden und haben sich stattdessen auf die vielen spannenden Momente konzentriert, die diese Reise und der Flug für sie zu bieten hatten.
Für mich persönlich war es ein sehr guter Dreh, ich habe die ganze Zeit gefilmt (und dementsprechend wenig fotografiert) und hatte einen tollen Flug über Panama.

Mein Praktikum ist so gut wie vorbei. Demnächst berichte ich von unserer Reise durch Panama.

Liebe Grüße,
Jonas

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