Weihnachten im Dschungel
Hallo liebe Leser,
Ich weiß, ihr seid alle völlig im Stress. Weihnachten ist endlich vorbei und nun steht auch schon der Jahreswechsel an. Jedes Mal eine seltsame Zeit, die man lieber vermeiden möchte. Ich hoffe ich kann euch auf fröhlichere Gedanken bringen mit diesem neuen Blogartikel. Eines steht fest, die letzten Tage waren auch für mich eine komplett neue Reiseerfahrung.
“Von Aufenthalten im Osten und Süden der Urwaldprovinz Darién wird dringend abgeraten. Dort bestehen hohe Sicherheitsrisiken. In dem Gebiet operieren kriminelle Organisationen und vereinzelt illegale, bewaffnete Gruppen aus Kolumbien, die auch vor Waffengebrauch nicht zurückschrecken.” – Das Auswärtige Amt über unser Reiseziel: Darién
Ihr habt es sicher schon geahnt: Mein Praktikum in Panama City ist abgeschlossen! Sehr erfolgreich wie ich finde. Ich habe nicht nur meine Projekte fertiggestellt – die vielen kurzen Dokufilme und andere Aufgaben an der Kamera und im Schnitt. Ich habe darüber hinaus unglaublich viel gelernt, mir (relativ) präzise Zukunftspläne überlegt und sehr viele großartige Menschen kennengelernt. Sehr gut rumgekommen bin ich in den letzten Monaten auch, ich bin also völlig zufrieden mit dem Verlauf meines Praktikums. Ich werde später noch einen separaten Beitrag mit Erfahrungen und Tipps speziell im Hinblick auf das Praktikum herausbringen, auch für die Webseite von Cineanimal habe ich sehr viel ausgearbeitet. Aber dazu später mehr, nun geht es endlich ums Reisen.
Als erste Etappe unserer abschließenden Panama-Rundreise hat es uns nach Darién im Osten des Landes verschlagen. Darién war für mich von Anfang an ein interessantes Ziel, aber auch ein Ort um den sich Legenden und Mythen ranken. Auch meine Kollegen waren noch nicht wirklich dort, aber irgendwie hat jeder eine Geschichte zu erzählen. Fest steht, dass Darién eine recht abgeschottete Region ist. Ein riesiger Regenwald vor der Grenze Kolumbiens, selbst der transkontinentale Pan-American Highway wird hier unterbrochen – das einzige Mal im gesamten Verlauf durch Nord- und Südamerika. Entlang des Highways gibt es vereinzelt kleinere Städtchen, die letzte Stadt Panamas ist die berüchtigte Stadt Yaviza. Dort endet der Highway in einem Fluss und danach kommt nur noch dichter Wald. Im Regenwald gibt es ein paar kleine Indianerdörfer der Ureinwohner vom Stamm der Emberra und Kuna, und im Süden eine große Bucht, den Golf von San Miguel. Gerade dort liegen einige schroffe Städtchen, die nur mit dem Boot angefahren werden. In der sogenannten “Darién-Gap” zwischen Panama und Kolumbien gibt es außerdem vermehrt Guerilla-Aktivitäten, was auch auf den Drogenhandel aus Südamerika zurückzuführen ist. Vor der Reise hatte ich also ein recht zwiegespaltenes Bild von der Region. Ich stellte es mir sehr schwierig vor und auch ein bisschen gefährlich, nach Darién zu reisen. Trotzdem gab es zwei Dinge die ich mir unbedingt anschauen wollte: Das Leben der Indianer im Regenwald und außerdem die letzte Stadt Yaviza.
Ich habe viele Stunden mit Recherche verbracht, wie man als Tourist sicher nach Darién kommt. Yaviza ist offensichtlich von Panama City aus mit dem Bus erreichbar, und für einen Indianerbesuch fokusierte ich mich auf die Golf-Region, denn hier kann man sich immerhin mit dem Boot fortbewegen. Auf verschiedenen Reiseblogs hatte ich gelesen, dass Reisende die ein oder andere Schwierigkeit bei der Einreise in die Region empfanden. Die extra für Darién ausgebildete Militär-Einheit Senafront ließ Touristen scheinbar nur nach sehr aufwendigen Verhören passieren. Ich hatte gelesen, dass oft die Einreise verwehrt wird, oder dass der öffentliche Bus einfach abfuhr, noch während die Menschen von der Senafront ausgefragt wurden. Trotzdem muss es ja möglich sein, denn genug Menschen hatten die Region schon erfolgreich bereist. Ich dachte mir, der Trick für ein schnelles Einreisen ist eine sehr gute Vorbereitung, und Dokumente, die den Senafrontiers unsere Reiseabsichten belegen.
Mit den Indianern leben, eine Reise nach La Chunga
Nach einer Weile des Suchens fand ich ein Indianerdorf, dass gelegentlich Touristen empfängt. Der Ort La Chunga liegt am Río Sambú mitten im Regenwald. Etwa 30 Familien leben hier. Einer der Indianer, Solarte, ist vor mehreren Jahren nach Panama City ausgewandert und hat ein paar kleine Hütten seines Bruders bei AirBnB eingestellt. Ja richtig: Im 21. Jahrhundert kann man im Internet eine Übernachtung im tiefsten Dschungel arrangieren. Die Hütten bieten natürlich nicht viel Komfort, aber sie waren der einzige Versuch der Emberra, in dieser Region überhaupt Reisende zu empfangen. Wir haben also vier Nächte in La Chunga reserviert.
Nachdem wir am Samstag erfolgreich unser Apartment zurückgegeben hatten, machten wir uns am Sontag sehr früh auf den Weg. Mit Solartes Hilfe hatte ich die Anreise geplant. Zuerst ging es mit einem öffentlichen Bus für $9 von Panama bis nach Meteti. Metiti ist die vorletzte Stadt, die letzte vor Yaviza. Schon auf dieser Fahrt merkten wir dass eine Reise nach Darién im Jahr 2018 nicht mehr so aufwendig war. Wir wurden zwar an der Grenze von der Senafront aus dem Bus geholt, die Registrierung ist aber inzwischen recht einfach und vor allem schnell. Innerhalb von zehn Minuten hatten wir unsere Reisepläne erklärt und wurden in die Liste der anwesenden Reisenden eingetragen, alles sehr unkompliziert. Die erste große Erleichterung, und ein Zeichen, dass wir Darién wohl überschätzt hatten. Von Metiti ging es für $2 nach Puerto Quimba, einem Drei-Häuser-Dorf an einem Ausläufer des San Miguel Golfes. Der Ort dient als reiner Hafen und Zugangspunkt in die vielen kleinen Ortschaften in diesem weitverzweigten Netz aus Wasserstraßen. Hier haben wir eine letzte Nacht in einem Bauernhof/ Imbiss/ Hostel übernachtet, bei einer sehr netten panamesischen Familie.
Und am nächsten Morgen ging es in aller Früh mit einem kleinen überfüllten Boot Richtung La Chunga. Das Boot verkehrt eigentlich zwischen Puerto Quimba, der Kleinstadt La Palma und der sehr weit entlegenen Regenwaldstadt Sambú am Río Sambú. Uns hat man mitgenommen und nach circa drei Stunden Fahrt am Ufer des Río Sambú herausgelassen, an der Stelle, wo sich offenbar das Indianerdorf befand. Solartes älterer Bruder Rutillo wartete auf dem Steg auf uns, und führte uns dann auf einem Holzweg durch die moorigen Wälder bis in das Dorf. Mit dem Schritt aus dem Boot begannen ein paar ausergewöhnliche Tage, die für mich definitiv eine ganz neue Reiseerfahrung waren – und eine ausführliche Schilderung verdienen.
Rutillo nahm uns freundlich in Empfang, und führte uns in sein Dorf. Er war es auch, der sich die nächsten Tage um uns kümmerte, er und seine ganze Familie umsorgten uns sehr liebevoll. Am besten habe ich mich mit seiner elfjährigen Tochter Bernilda verstanden, die immer ein Lächeln parat hatte und sehr gut erzogen war. Das Dorf besteht aus sehr einfachen Holzhütten und einer kleinen (Grund)schule, sowie zwei Kirchen. Auch hier waren die christlichen Missionare also erfolgreich, auch wenn das wilde Singen und Beeten der Indianer eher an Schamanie erinnert.
Rutillos Anwesen besteht aus seiner Hütte und einer offenen Küche, die auch von den Nachbarn genutzt wird. Daneben hat Solarte drei kleine überdachte Plattformen errichtet, auf denen Matratzen liegen. Hier gibt es sogar extra für die Besucher eine funktionierende Toilette. Gegessen wurde in der Küche von Rutillo, hier haben wir auch mit den Kindern Domino gespielt. Und ich habe den Kleinen viele Fotos von anderen Ländern gezeigt, die ich in alten Ausgaben der National Geographic mit mir führte. Mit den Kindern waren wir auch sehr viel Schwimmen, oder haben anderweitig im Dorf gespielt. Besonders beeindruckt waren sie von meiner Drohne, mit der wir einen kleinen Rundflug über dem Dorf wagten. Das Dorfleben war sehr ruhig, entspannt und einfach schön. Man hat sich hier an die gelegentliche Anwesenheit der Reisenden gewöhnt, so dass man uns ohne Misstrauen aufnahm. Auch bei dem großen gemeinschaftlichen Weihnachtsessen wurden wir ganz selbstverständlich bewirtet.
Rund um das Dorf liegen ein paar Plantagen, hier entdeckten wir schon am ersten Tag eine gut zwei Meter lange Schlange, die aber sofort Reißaus nahm. Flüsse, dichte Wälder und ein Sumpf umgeben das Dorf, hier haben wir auch Krabben gejagt, als Köder fürs Fischen.
Abgesehen von diesem mehr oder weniger normalen, für mich außergewöhnlichen Dorfleben haben wir auch einige Ausflüge mit Rutillo unternommen. Wir waren zwei Tage im Regenwald wandern und haben in der Nacht ein kleines Lager an einem Fluss aufgeschlagen. Dort schossen wir Fische und Krebse mit kleinen Speeren, und erlegten am nächsten Morgen ein Wasserschwein. Mit dabei war der Franzose Willy, der Ex-Soldat und Survival-Experte ist. Er war begeistert von der Jagd, und von Haus aus bestens ausgestattet, mit Messern, Wasserfiltern, und einem umfangreichen Erste-Hilfe-Set. Damit verarztete er Eric sehr gekonnt, als er im Fluss in einen Ast trat und ein entsprechendes Loch zwischen seinen Zehen hatte. Die Buschwanderung war sehr sehr anstrengend, nicht nur war es sehr bergig und wir mussten viele Flüsse durchqueren, hinzu kam, dass die Wege sehr verwildert waren und erstmal mit der Machete “freigeschlagen” werden mussten.
Mit Rutillo, Bernilda, Solarte und Willy war ich auch im Langboot fischen, im Río Sambú. Dazu hatten wir im Sumpf sehr viele Krabben gejagt und dann trotz dieser guten Köder nur einen Fisch gefangen. Zum Ausgleich sprang Rutillo dann noch in den metertiefen Schlamm am Flussufer und schlug sich zu den Kokosnüssen durch, und das obwohl wir im Krokodilgebiet unterwegs waren. Gesehen haben wir allerdings nur ihre großen Fußspuren und ihre Babys.
Der ganze Ausflug war absolut spannend und empfehlenswert, wenngleich auch etwas teuer. Für Solarte waren wir glaube ich eher eine Geldquelle, während Rutillo uns wirklich wie Freunde aufnahm. Wer selber mal nach La Chunga möchte, der kann sich ja das Inserat auf AirBnB mal genau ansehen, dann könnt ihr euch auch eine Vorstellung über die Kosten machen… Es ist auf jeden Fall gut, ein paar Tage oder am besten eine Woche einzuplanen. Auch La Palma oder Sambú sind einen Ausflug wert. Allgemein ist das ganze Gebiet um den Golf für Reisende sehr sicher, die Emberra sind ein wirklich freundliches Volk. Ich freue mich auch, dass ich inzwischen so gut Spanisch spreche, dass ich mich hier ein bisschen mit den Menschen unterhalten konnte.
Yaviza, die letzte Stadt im Land
Gerne wäre ich in La Chunga länger geblieben. Sehr gerne würde ich wiederkommen. Aber die Welt ist groß und meine Zeit begrenzt. Und so mussten wir schon am Freitag wieder in See stechen. In die stürmische See wohlbemerkt, der Golf war bei unserer Rückfahrt sehr aufgewühlt. Trotzdem haben wir Puerto Quimba ohne zu kentern erreicht, und sind dann mit mehreren kleinen Bussen nach Yaviza gefahren. Da wir unsere Rückreise drei Uhr morgens begonnen hatten, waren wir bereits elf Uhr in Yaviza. Dort hatte ich eine Unterkunft für eine Nacht gebucht, so blieb uns also ein halber Tag um die Stadt zu erkunden. Die Stadt hat eine sehr seltsame Atmosphäre, soviel steht fest. Es gibt im Prinzip nur eine große Hauptstraße, auf der sich das wichtigste Geschehen abspielt, und sehr ärmliche, einfache Nebensträßchen mit kleinen Häusern. Besonders auf der anderen Flussseite, die über eine Hängebrücke erreicht werden kann, sind die Hütten baufällig und heruntergekommen. Die Bevölkerung ist fast ausschließlich schwarz, und es herrscht ein sehr geschäftiges Treiben. Im Prinzip ist der ganze Zweck der Stadt, Obst und Gemüse in LKWs zu laden, dass per Langboot von Indianern aus dem Regenwald herangebracht wird. Dazwischen sind die Soldaten der Senafront mit wachsamen Augen, die natürlich genau wissen, dass Yaviza auch für grenzübertretende Drogenschmuggler der Anlaufpunkt ist. Für mich wirkte die Stadt sehr angespannt und unfertig, so als ob man immernoch verzweifelt versuche eine Heimat im Wald aufzubauen. Aber das ist wohl nicht mehr wirklich möglich, denn die Stadt ist zu entlegen und wird vom Rest des Landes vermutlich mehr oder weniger vergessen. Eine Stadt von auf sich gestellten Landstreichern. Für mich war Yaviza ein eindrucksvoller Ort, an dem man zwar nicht zu lange bleiben möchte, der aber durchaus einen (kurzen) Besuch wert ist.
Heute morgen haben wir dann auch Yaviza und Darién verlassen. An der Grenze wurde der ganze Bus einer gründlichen Personen- und Gepäckkontrolle unterzogen, und die Senafront konnte die beiden Deutschen wieder von ihrer Personenliste streichen. Wir waren offiziell zurück in Panama, mehr oder weniger unverletzt und beeindruckt von Darién, dass zum einen deutlich reisefreundlicher, und interessanter ist als erwartet. Von mir also eine absolute Empfehlung für jeden Panama-Reisenden.
Jetzt sind wir wieder in Panama, und übernachten bei unseren Freunden Giness und Emily. Der morgige Tag wird mehr oder weniger zur Organisation genutzt, außerdem wollen wir Willy die Stadt zeigen. Sonntagnacht geht es dann mit dem Bus nach Boquete, wo wir Silvester und die anschließenden Tage in der Kaffee-Region Panamas verbringen werden.
Liebe Leser, die zehnwöchige Reisephase hat offiziell begonnen, und bis Anfang März ist mit regelmäßigen, spannenden Beiträgen zu rechnen. Dran bleiben lohnt sich jetzt also mehr denn je!
Und noch eine Aufforderung an alle die sich für Panama oder Darién interessieren. Ihr könnt mich gerne anschreiben und mir eure Fragen stellen. Ich weiß dass besonders Darién nicht sehr typisch für Backpacker ist, und ich helfe gerne jedem bei der Reiseplanung.
Jetzt erstmal liebe Grüße aus Panama,
Jonas