Endlich wieder Philippinen

Liebe Leser,

vor einer Woche bin ich von einer Reise zurückgekehrt, die ich unter die schönsten meiner bisherigen Reiseerlebnisse zählen darf. Von Anfang Februar bis Anfang Mai lebte ich in den Philippinen. Genau drei Monate verbrachte ich auf dem sonnigen Archipel – eine so lange Zeit, dass ich sogar einen offiziellen Ausweis als „Alien Resident“ erhalten habe. Auf dem Papier und im Herzen bin ich nun also fast ein halber Filipino.

Wie ihr wisst war ich im Dezember 2022 und Januar 2023 schon einmal in dem Inselstaat. Damals reiste ich zusammen mit J (Joyce) aus Manila als Tourist durch das Land. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland reichte ich einen Themenvorschlag für eine Kultur- und Naturdokuserie bei ARTE ein. Das „Archipel Philippinen“: In drei Filmen sollen die Inseln Luzon, Bohol und Palawan vorgestellt werden. Das letzte Jahr verging rasend schnell und ich konnte viele spannende Projekte umsetzen. Ich drehte in Frankreich, Tunesien, Dänemark, im arktischen Spitzbergen und in Japan. Die ARTE-Idee war fast vergessen. Doch dann, nach über sechs Monaten, meldete sich der Sender. Sie wollten die Serie haben und der Dreh konnte beginnen.

Von den geplanten drei Filmen würde ich zwei umsetzen – den dritten übernimmt ein Kollege. Im Januar bereiteten wir alles vor, recherchierten die Geschichten und begannen die Zusammenarbeit mit unseren lokalen Produktionsassistenten aus Manila. Das Ziel der Doku: Jeder der drei Filme soll die jeweilige Insel in ihrer gesamten Vielfalt portraitieren. Kultur, Landschaften und Tierwelten – 52 bunte Minuten, die träumen lassen.

Plötzlich war ich also wieder in den Philippinen. In den drei Monaten war ich ständig unterwegs. Die erste Woche verbrachte ich zur Recherche in Bohol, die zweite Woche in Luzon, danach flog ich für zwei Wochen für weitere Vorbereitungen und zur Unterstützung des Kollegen nach Palawan, dann wieder nach Luzon, danach erneut Bohol. Währenddessen traf ich auch J wieder. Und als das Projekt nach zehn Wochen abgedreht war, verschob ich meinen Rückflug und wir beide reisten zusammen auf die für mich neue Insel Camiguin und dann zum vierten Mal nach Bohol. Der Einfachheit halber werde ich hier nicht chronologisch berichten, denn die Reise hat so unendlich viele Stationen, die sich oft wiederholen. Stattdessen beschreibe ich die wichtigsten und schönsten Erlebnisse in Manila, in Bohol, in Luzon und auf der anschließenden Reise in Camiguin und Bohol. Normalerweise versuche ich so ausführlich wie möglich zu berichten. Bei drei Monaten Reiseeindrücken geht das nicht: Aber dafür könnt ihr schon bald drei wunderschöne Filme auf ARTE anschauen, die alle drei Inseln beschreiben.

Manila: ein zweites Zuhause

Mein Plan war es, von Berlin über Doha nach Manila zu fliegen und dann noch am selben Nachmittag von Manila nach Bohol. Denn dort sollte zwei Tage nach der Landung die erste Recherchereise beginnen. Doch der Qatar Airways Flug von Berlin nach Doha hatte Verspätung und ich verpasste den Anschluss. Nach einer Nacht im Hotel in Qatar kam ich in Manila mit rund 12 Stunden Verspätung an. Mein Flug nach Bohol war weg und der nächste sollte erst am übernächsten Tag starten. Nun hatte ich also zwei Tage in Manila. Mit dem Taxi fuhr ich in das Zentrum der Stadt, in den Stadtteil Ermita. Hier war ich auch letztes Jahr zum Abschluss meiner Reise mit J. In Manila hatten wir Silvester gefeiert. Schon auf dem Weg zum Hotel merkte ich, wie vertraut mir die Stadt nach wie vor war. Kaum eingecheckt, begann ich durch die Straßen zu laufen. Ich kannte noch alle Gassen und Straßen des Viertels, erreichte zielsicher den Rizal-Park und das historische Stadtviertel Intramuros, das die Spanier zur Verwaltung der philippinischen Kolonie erbauten. Es fühlte sich gut an, wieder zurück zu sein. Es war eine Rückkehr zu einem Ort, der mir am Herzen liegt.

Am ersten Tag nach meiner Ankunft erwartete mich in Manila ein besonderes Spektakel. Es war chinesisches Neujahr. Und in Manila, nur wenige Gehminuten von meinem Hotel entfernt, liegt die älteste Chinatown der Welt. Die chinesischen Auswanderer, oft in zweiter, dritter oder noch späterer Generation, feierten an diesem Tag ein riesiges Fest. Eine Parade geschmückter LKW und Busse rollte durch die Straßen. Die Teilnehmer warfen kleine Geschenke in die Menge. Ich fing einen roten Umschlag aus der Luft, in dem 10 Pesos (rund 5 Cent) waren. Dafür bekommt man schon zwei Brötchen beim Bäcker. Hunderte Menschen standen am Straßenrand und feierten den Beginn vom Jahr des Drachen.

Auf dem Rückweg schlenderte ich durch Intramuros, die spanische Kolonialstadt. Auch hier spielt sich ein buntes Leben auf der Straße ab. Hunderte Leute waren zum Bingospiel versammelt. Und endlich konnte ich eine philippinische Eigenart beobachten, von der ich vorher nur gehört hatte: Der Spinnenkampf. Hier saßen Kinder, die in kleinen Pappschachteln Spinnen mitgebracht hatten. Auf einen kleinen Holzspieß setzen sie zwei Spinnen, die sich dann gegenseitig bekämpfen. Gelingt es einer Spinne, den Gegner vom Stäbchen zu werfen oder gar zu töten, so hat sie das Spiel gewonnen. Es ist die weniger brutale Alternative zum ebenfalls sehr beliebten Hahnenkampf.

Nach zwei Tagen in der Hauptstadt begann für mich die Arbeit: Recherchereisen und Vorbereitungen in Bohol, Luzon und Palawan, danach die Drehs. Doch während unserer Arbeit in Luzon kehrte ich immer wieder nach Manila zurück. Die Hauptstadt liegt im Zentrum der Insel Luzon, sodass wir zum einen in Manila drehten und zum anderen auch unsere freien Tage hier verbrachten.

Und immer, wenn ich nach Tagen oder Wochen in die Metropole zurückkehrte, fühlte ich mich ein bisschen zuhause. Ich bin in der Stadt kein Fremder mehr, sondern habe mich eingelebt und zurechtgefunden.

Fast immer, wenn ich in Manila war, traf ich mich auch mit J. Sie wohnt in Quezon City, einer Großstadt, die zum Metropolraum Manilas gehört. Zusammen zogen wir durch die bunten Märkte der Chinatown, fuhren mit dem Jeepney und dem Riesenrad, besuchten viele kleine Restaurants. Nach wenigen Tagen erinnerten wir uns an ein chinesisches Hot Pot Restaurant, das wir letztes Jahr in Ermita entdeckt hatten. Für die restliche Zeit in Manila waren wir hier Stammgäste. Es war schön, J wiederzusehen. Obwohl ich über ein Jahr lang nicht in den Philippinen war, hatten wir Kontakt gehalten. Und nach wenigen Minuten des Wiedersehens fühlte sich der gemeinsame Alltag wieder sehr vertraut an. Deshalb entschied ich auch, den Rückflug zu verschieben und nach Drehschluss zwei Wochen länger zu bleiben. Dann wollten wir eine für uns beide unbekannte Insel im Süden des Landes besuchen.

Bohol: Koboldmakis und Korallenwelten

Auch Bohol, mitten im Zentrum des Landes, war Teil meiner Reise vor einem Jahr. Doch damals waren wir nur drei Tage da. Die Insel hatte aber bei mir Eindruck hinterlassen, denn sie ist wild und vergleichsweise wenig besiedelt. Hier gibt es einsame Sandstrände, dichten Regenwald, weite Mangrovenwälder und tollen Korallenriffe.

Im Vorfeld hatte ich zusammen mit meiner Produktionsassistentin Jaz verschiedene Geschichten recherchiert. Wir wollten Menschen filmen, die besonders viel in der Natur zu tun haben, die kulturell involviert sind oder in sonst einer Weise spannende Repräsentanten der zehntgrößten philippinischen Insel sind. Die Recherchereise dauerte nur eine Woche und in der Zeit besuchten wir rund zehn verschiedene mögliche Protagonisten für den Film, die wir bereits vorher kontaktiert hatten. Mit vielen von ihnen drehten wir dann auch wirklich, als wir Anfang April zurückkehrten. Einige wenige mussten wir aussortieren, weil sie für den Film doch nicht geeignet waren.

Da ich die meisten Orte also zweimal besuchte, zur Recherchereise und zum Dreh, beschreibe ich nun eine Auswahl interessanter Geschichten, ohne die verschiedenen Reisen zu trenne.

Ein Highlight für mich war der Besuch zweier kleiner Inseln im Norden von Bohol: Nasingin und Banacon. Beide Inseln erreicht man innerhalb weniger Minuten mit dem Boot vom Hafen in Getafe. Banacon ist ein ganz besonderer Ort, denn hier haben die Inselbewohner den größten künstlichen Mangrovenwald Asiens angelegt. Über 400 Hektar pflanzten sie in den letzten Jahrzehnten, um ihre Insel vor Taifunen zu schützen, aber auch, um durch die Mangroven ein artenreiches Biotop zu schaffen. In dem riesigen Wald können sie fischen und außerdem Krebse, Muscheln und Schnecken sammeln. Wir filmten Sir Don Don, der das Projekt leitet. Wir begleiteten eine Aktion, bei der die Dorfbewohner hunderte neue Bäumchen pflanzten. Außerdem zeigte uns Don Don eine Stelle im Wald, wo Wilderer hunderte Mangrovenbäume abgesägt hatten, um sie als Brennholz zu verkaufen. Ein herber Rückschlag für das insgesamt sehr erfolgreiche Projekt. Mit meiner Unterwasserkamera tauchte ich durch die Wurzeln der Mangroven und filmte dort Fische, Krebse und Seesterne.

Nur einige Hundert Meter weiter liegt die Insel Nasingin. Dort wollte ich unbedingt drehen, seit ich sie das erste Mal auf dem Satellitenbild sah. Die Insel ist nur rund 400 Meter lang, jedoch vollgepackt mit hunderten winzigen Häusern und Hütten. Hier leben über 2.000 Menschen, wie ich herausfand. Das kleine Eiland ist somit dichter besiedelt als asiatische Großstädte wie Manila, Dhaka und sogar Mumbai. Wir filmten eine Fischerstochter, die Trockenfisch herstellt. Wir fingen viele Impressionen auf der Insel ein. Das Leben spielt sich auf der einzigen schmalen Straße ab. Hunderte Menschen füllen die rund einen Meter breite Gasse aus. Kinder spielen im nahegelegenen Meer oder auf dem Basketballplatz der Stadt, der gleichzeitig als Versammlungsort für die Einwohner dient. Als wir die Insel zum ersten Mal besuchten, lief hier gerade ein Bildungsprogramm für die Frauen der Insel. Man sagte uns, dass die Inselbewohner außer der Fischerei keinen Zeitvertreib haben und deshalb so viele Kinder zeugen würden. Bildung könnte das Leben der Fischerfamilien verbessern. Für mich war der Besuch der kleinen Insel ein hochinteressantes Erlebnis. Der Drehtag endete am Nachmittag, als nach der Ebbe die Flut einsetze und Teile der Insel plötzlich unter Wasser standen. Die Menschen sind die täglichen Überschwemmungen gewöhnt und haben zum Beispiel mitten auf der Straße im salzigen Meerwasser ihre Wäsche gewaschen.

Bohol ist vor allem für eines bekannt: Auf der Insel leben Koboldmakis, hier Tarsiere genannt. Die kleinen Primaten haben große Augen und Segelohren, schlafen am Tag in Bäumen versteckt und gehen nachts auf Insektenjagd. Sie waren fast ausgestorben, weil ihr Lebensraum immer mehr verschwand und sie außerdem gejagt wurden. Einer der ehemaligen Jäger ist Carlito Pizarras. Als junger Erwachsener schoss er die kleinen Makis mit dem Gewehr von den Bäumen und verkaufte sie ausgestopft auf dem Markt. Doch als er merkte, dass die Koboldmakis beinahe verschwunden waren, begann er sie zu schützen. Er hat ein Waldschutzgebiet erworben, wo er die nachtaktiven Primaten aussiedelt. Nun leben über hundert von ihnen in dem Schutzgebiet. Wir drehten zwei Tage lang im Gelände der Philippine Tarsier Sanctuary.

Eine der wichtigen Geschichten des Filmes ist die Arbeit von Eric Albaño. Er ist Kakaohändler. Inmitten der berühmten Chocolate Hills unterstützt er verschiedene Bauern und zeigt ihnen, wie sie Kakao anbauen können. Daraus stellt eine Unternehmerin in der Inselhauptstadt Tagbilaran Schokolade her. Die Bauern Bohols hatten früher oft einen oder zwei Kakaobäume im Garten, um daraus für den Eigenbedarf Trinkschokolade herzustellen. Doch mit Hilfe von Eric entstehen nun verschiedene große Kakaoplantagen im Zentrum der Insel. Der große Vorteil ist, dass die Kakaobäume in Form eines Waldes angepflanzt werden. Die Kakaobäume teilen sich die Felder mit Kokospalmen, Bananenstauden, Papayas und einer Vielzahl von Bäumen und Büschen. Sie sind auf den Schatten der anderen Pflanzen angewiesen. Somit entsteht ein regelrechter Wald, in dem sogar wilde Tiere leben können. Für das Inselklima sind Kakaoplantagen wesentlich besser als die typischen riesigen Reisfelder. Eine Umstellung von Reis auf Kakao bringt den Farmern ein besseres Einkommen und hilft gleichzeitig der Insel. Eric leitet Workshops, um den Bauern zu zeigen, wie sie die Kakaobäume pflegen. Vor zwei Jahren zerstörte der Taifun Odette die allermeisten Bäume, sodass oft nur noch die Wurzeln und die zersplitterten Stämme blieben. Eric zeigt den Bauern, wie sie durch geschicktes Beschneiden und Pfropfen ihre kaputten Bäume wieder zum Leben erwecken können, statt neu pflanzen zu müssen.

Auf der Recherchereise besuchten wir außerdem den indigenen Volksstamm der Eskaya hoch in den Bergen der Insel. Hier wollte ich drehen und zeigen, wie dieser Stamm noch heute seine Traditionen bewahrt. Wir haben extra eine riesige Ladung Burger von McDonalds in die Berge transportiert: für die Stammesmitglieder eine seltene und hochgeschätzte kulinarische Besonderheit. Doch obwohl der Stamm uns willkommen heißen wollte, konnten wir hier nicht drehen. Der Versuch scheiterte an der Bürokratie. Hier gibt es eine Behörde zum Schutz indigener Völker, die die von uns eingereichten Unterlagen zu langsam prüfte bzw. zu spät freigab. Die Drehgenehmigung kam nicht rechtzeitig.

Viele andere spannende Geschichten bleiben mir im Gedächtnis. Wir drehten auf Pamilacan, einer Insel, die früher als Ausgangspunkt für Wal-, Manta und Delfinjagd mit Harpunen diente. Heute bieten die ehemalige Fischer Whale Watching an, denn die Meeresriesen sind endlich unter Schutz gestellt. Dort bin ich auch einen ganzen Tag getaucht. Für meine Arbeit habe ich mir eine hochwertige Unterwasserkamera gekauft, die hier zum ersten Mal zum Einsatz kam. Ich drehte riesige Fischschwärme, Seegurken, den bösen Feuerfisch, den ich bereits in Belize filmte, sowie metergroße, bunte Korallen. Und vor allem: viele, viele Schildkröten.

Auf Bohol besuchten wir außerdem einen Imker, der die besondere Kiwot Biene hält. Die stachellosen Winzlinge sammeln schwarzen Honig in traubenartigen Waben. Eine weitere lokale Besonderheit ist Palmwein. Ein Weinmacher zeigte uns, wie er barfuß auf die Palmen klettert und den Palmensaft erntet. Der vergärt dann in alten Benzinkanistern. Ich habe den Trunk probiert und war anschließend zehn Tage lang krank.

Für mich persönlich spannend war auch die Arbeit des Salzmachers Nestor Manongas. Er lagert Kokosschalen in den nahen Mangroven, bis sie sich nach drei Monaten mit Salzwasser vollgesaugt haben. Die Schalen verbrennt er in einem Schwelfeuer. Aus der feinen Asche stellt er mit Meerwasser eine Salzlake her. Diese filtert er und füllt sie dann in Tontöpfe, die über einem großen Feuer hängen. Das Wasser verdunstet und übrig bleibt eine feine Schicht des Kokosschalensalzes. Nach vielen Stunden sind die Tontöpfe so mit Salz gefüllt. Das Asin Tibuok ist eines der seltenen Salze der Erde. Es wird für hunderte Dollar in den USA verkauft. Ich habe mir einen Tontopf voll Salz direkt vom Hersteller mitgenommen.

Der Dreh auf Bohol war für mich sehr schön, da wir uns oft in wilder Natur aufhielten. Wir filmten Flughunde im Regenwald, ich tauchte mit meiner Unterwasserkamera durch die Wurzeln der Mangroven und durch das bunte Korallenriff von Pamilacan. Unser Dreh führte uns zu Wasserfällen, hoch in die Berge und weit auf das offene Meer. Mit einem kleinen Holzboot kenterten wir fast bei zwei Meter hohen Wellen, mehrere Kilometer vor der Küste. Ein spannender Dreh!

Luzon: Schlafende Vulkane

Jeder unserer Filme hat einen eigenen Schwerpunkt. In Bohol ging es um den Wald: Mangroven, Regenwald, die dichten Kakao-Wälder. Auf der größten Insel der Philippinen dreht sich alles um Vulkane und geologische Prozesse. Auf Luzon liegen 33 Vulkane, viele von ihnen noch aktiv.

Eine der Hauptgeschichten des Films ist die Arbeit des PHIVOLCS (Philippine Institute of Volcanology and Seismology). Die Behörde überwacht alle aktiven Vulkane der Insel. Wir begleiteten ihre Arbeit am Mayon. Dieser Vulkan hat einen perfekten Kegel. Genau so habe ich mir als Kind einen Vulkan vorgestellt: kreisförmig, spitz und mit einer rauchenden Spitze. Tatsächlich stößt der Schlot in 2.463 Metern Höhe permanent Rauch aus. Der Vulkan ist auch schon oft ausgebrochen: zuletzt 2023 und 2018. Rund um den Vulkan sind Messstationen verteilt, die permanent Daten liefern. Wir begleiteten das Team des PHIVOLCS zu einer Station auf halber Höhe des Vulkans. Hier musste das Tiltmeter repariert werden. Offensichtlich hatte eine Ratte das unterirdische Kabel des Neigungssensors zernagt. Das Messinstrument zeigt die Neigung des Berges an. Verändert sich der Wert der Neigung, so kann das bedeuten, dass sich der Vulkan aufbläht oder in sich zusammensackt. Daraus schließen die Forscher, wie sich das Magma im Inneren des Vulkans bewegt. Hier lernte ich auch, wie aufwendig es ist, jedes Mal tausende Menschen zu evakuieren. Die Behörden müssen nämlich auch sämtliche Tiere mitnehmen. Die meisten Leute hier sind Bauern und würden selbst bei einem bevorstehenden Ausbruch heimlich in die Gefahrenzone zurückkehren, um ihre Tiere zu versorgen.

Ein weiterer Vulkan ist der Taal. Er liegt nur rund 60 Kilometer vom Zentrum Manilas entfernt. Der Vulkan bildet eine Insel in einem 25 Kilometer langen See. Der Krater des Vulkans ist ebenfalls mit Wasser gefüllt. Auf der Insel lebten Fischer. Doch im Jahr 2020 brach der Vulkan aus und schleuderte riesige Massen Asche in die Luft. Das Fischerdorf wurde komplett zerstört. Der Taal war vorher eine Touristenattraktion. Besucher wanderten bis an den Kraterrand. Doch seit dem Ausbruch haben die Behörden den Besuch der Insel verboten. Zu groß ist das Risiko eines erneuten Ausbruchs. Nur die Fischer dürfen die Insel tagsüber für wenige Stunden betreten, um sie als Stützpunkt zum Fischen zu nutzen. Als Filmteam durften wir nach langen Diskussionen mit den lokalen Behörden die Insel betreten. Doch wir hatten eine Entourage bestehend aus Coast Guard, Guides, Lokalpolitikern und Rettungskräften dabei. Sie hielten eine Sea Ambulance bereit, also einen Krankenwagen in Form eines Schiffes. Wir filmten einen Fischer, der sich inmitten der Ruinen des Dorfes eine kleine Hütte errichtet hat. Offiziell darf auch er nicht in dem Dorf wohnen, doch er scheint sich teilweise auch über Nacht im Geisterdorf aufzuhalten. Zusammen mit seiner Tochter, die auf dem Vulkankraterrand einen kleinen Laden hatte, erzählte er uns vom Schrecken des Ausbruchs. Die Leute wurden überrascht und flüchteten Hals über Kopf in ihren Fischerbooten. Auch hunderte Pferde kamen damals ums Leben, denn Touristen konnten hier Reit-Ausflüge unternehmen. Keines der Boote war groß genug, um die Vierbeiner zu retten. Ihre Totenschädel liegen noch heute im schwarzen Staub. Seither ist das Leben der Fischer herausfordernd. Die Tourismuseinnahmen bleiben aus und der See ist mit chinesischen Aquafarmen übersäht, die den Fischfang per Netz erschweren. Die beiden erzählten uns von ihrer Hoffnung, dass der Tourismus bald zurückkehren könne. Denn der Vulkan sei nun nicht mehr aktiv. Ein Drohnenflug über den Krater zeigte jedoch, dass der große Kratersee kocht wie ein Nudeltopf. Und nur wenige Tage nach unseren Dreharbeiten brach der Vulkan tatsächlich erneut aus. Am 12. April stieg eine 2,5 Kilometer hohe Rauchwolke aus dem Krater empor. Eine Rückkehr der Bewohner auf ihre Insel bleibt damit wohl für lange Zeit ausgeschlossen.

Die dritte Vulkangeschichte drehten wir am Pinatubo. Auch dieser Vulkan hat einen Kratersee. Doch der Vulkan ist aktuell nicht aktiv. Wir konnten sogar in den Krater steigen. Eine rund zweistündige Fahrt mit dem Geländewagen durch eine feinstaubige Aschewüste und eine einstündige Wanderung brachten uns zum Gipfel. Der Kratersee ist normalerweise eine Touristenattraktion. Doch als wir drehen wollten, brauchten wir eine Sondergenehmigung. Zu dem Zeitpunkt führte die Luftwaffe ein mehrtägiges Training durch und Ausländer sollten das Gebiet meiden, um Spionage auszuschließen. Wir waren jedoch als offizielle Journalisten im Presidential Communications Office registriert und durften das Gebiet nach langem Verhandeln mit der Leitung der Air Force betreten. Für solche Genehmigungen hatten wir auch hier wieder einen lokalen Produktionsassistenten dabei. Prince aus Manila ist extrem gut vernetzt und hat solche, eigentlich unmöglichen Genehmigungen, für uns organisieren können.

Der Pinatubo erlangte 1991 traurige Berühmtheit, als sein Ausbruch eine Vielzahl von Orten verschüttete. 1600 Menschen starben, zehntausende wurden ihrer Existenz beraubt. Damals schleudert der Pinatubo eine 34 Kilometer hohe Aschewolke empor, die über Vietnam, Kambodscha und Malaysia niederging. Eine Aschewolke von fast 130.000 Quadratkilometern hüllte die Insel in Dunkelheit. Der Gipfel des Vulkans wurde weggesprengt. Weil sich der Himmel verdunkelte und die Sonneneinstrahlung abschirmte, kühlte die Erde um 0,5 °C ab. Es war der stärkste Vulkan-Ausbruch der letzten 100 Jahre.

Rund um den Pinatubo leben die Aeta. Es ist ein indigener Volksstamm, der das bergige Gebiet besitzt und sich selbst verwaltet. Wir drehten mit Norman King. Er ist der Sohn von einem der Stammesführer. Er brachte uns in ein Dorf, wo die Aeta Ackerbau betreiben und mit Gewehren auf Jagd gehen. Da sie ihr Gebiet besitzen, dürfen sie hier mit echten Gewehren jagen. Das ist im Rest des Landes verboten. Norman erzählte uns, wie schlimm der Vulkanausbruch für seinen Stamm war. Viele Freunde kamen ums Leben und der gesamte Stamm musste das Gebiet jahrzehntelang verlassen. Erst Anfang der 2000er kehrten sie zurück. Die Landschaft hatte sich grundlegend verändert. Der dichte Wald ist weg und stattdessen hat sich ein Sekundärwald angesiedelt, in dem es nur noch kleine Tiere gibt. Der gesamte Boden ist feiner Vulkanstaub, der auf der Haut brennt. Pflanzen wachsen in dieser Vulkanerde sehr gut, aber die Straßen und Dörfer sind durch den weichen Staub schwierig zu benutzen. In das Gebiet der Aeta dürfen Fremde nur mit der ausdrücklichen Erlaubnis des Stammes. Dass wir das Volk als ausländisches Filmteam besuchen durften, schätze ich sehr.

Auf Luzon haben wir eine Vielzahl spannender Geschichten abgedeckt. Das volle Ausmaß wird erst der Film zeigen. Zum Abschluss möchte ich hier noch von unserer Reise in die philippinischen Kordilleren berichten. Es ist ein über 300 Kilometer langes Gebirge im Norden der Insel. Hier besuchten wir einen Silberschmied, der feinsten Schmuck aus den Schätzen der Berge herstellt. Wir filmten eine Reisbäuerin sowie eine Töpferin. Diese sammelt den Ton im Wald. Ihr Heimatort Sagada ist aber vor allem für seine besondere Bestattungskultur bekannt. An steilen Klippen im Wald sind die Särge verstorbener Ahnen befestigt. Die hier ansässigen Menschen glauben, dass die Seelen der Toten unter der Erde „gefangen“ oder „erdrückt“ würden, deshalb befestigten sie ihre Verstorbenen an den Wänden. Seit einigen Jahren ist man auch hier zu unterirdischen Begräbnissen übergegangen, doch die Sargfelsen im Tal von Sagada bleiben weiterhin erhalten.

Am Ende des Drehs filmten wir eine Osterzeremonie in San Fernando. Am Karfreitag wurden hier einige Menschen mit echten Nägeln ans Kreuz geschlagen, als Teil eines Ostertheaterstücks. Sie machen das aber auch, um Buße zu tun oder Gott zu danken. Einige tausend Besucher beobachteten das Spektakel. Kameramann Felix und ich hatten große Schwierigkeiten, die Szenen in so einem Tumult einzufangen. Es ist uns gelungen – nur Fotos habe ich keine. Um das eigenartige Osterschauspiel zu bewundern, müsst ihr also unseren Film schauen. Auch J war hier dabei. Sie hat uns an ein paar Drehtagen unterstützt und für mich übersetzt. Nun konnte sie also mal meine tägliche Arbeit als Regisseur „bewundern“.

Zehn Wochen Recherche und Dreh: Noch nie war ich für ein Fernsehprojekt so lang unterwegs. Natürlich war es sehr anstrengend. Oft hatte ich nur einen halben freien Tag pro Woche und arbeitete rund 12 Stunden pro Tag. Doch trotz Stress und körperlicher Müdigkeit fühlte ich mich insgesamt sehr wohl. Manchmal lief ich nachts noch durch die bunten Straßen der Städte oder in absoluter Finsternis einen einsamen Strand entlang. Und dann dachte ich darüber nach, dass das hier gerade meine Arbeit ist, nicht irgendeine Reise, für die ich Geld sparen und Urlaub nehmen musste. Ich bin dankbar, dass ich mich beruflich für Monate in diesem tollen Land aufhalten konnte, in dem ich mich nach dieser langen Zeit sogar ein bisschen zuhause fühle.

Camiguin und Bohol: Eine Reise durch den Süden

Nachdem die Drehs in Luzon und Bohol erfolgreich verlaufen waren, flog Kameramann Felix am nächsten Tag zurück. Auch ich hätte ursprünglich meine Heimreise sofort angetreten. Doch ich wollte noch ein wenig bleiben: Zum einen hatte ich mich in den Philippinen eingelebt, die Kultur und Mentalität erneut lieben gelernt und sogar einige Brocken der Landessprache Tagalog gelernt. Zum anderen wollten J und ich noch ein wenig Zeit verbringen. Sie flog also zu mir nach Bohol und von dort nahmen wir die alte Autofähre nach Camiguin. Vier Stunden dauert die Fahrt. Auf dem offenen Deck kann man in Doppelstockbetten liegen, durch die der Wind pfeift. Ich liebe diese Art der Autofähren. Bei unserer letzten Reise waren wir ja mit einer noch größeren Fähre für volle zwei Tage unterwegs.

Camiguin gehört als Insel schon zur südlichsten Region der Philippinen, zu Mindanao. Der Süden des Landes ist überwiegend muslimisch, während die nördlichen Gebiete Visayas und Luzon fast ausschließlich katholisch sind. Das Auswärtige Amt warnt: in Teilen Mindanaos „sind unterschiedliche Gruppen von islamistischen Terroristen und Rebellen aktiv und es kommt immer wieder zu Anschlägen sowie Kampfhandlungen mit der philippinischen Armee und Sicherheitskräften.“ Doch Camiguin liegt noch ein paar Kilometer vor der Hauptinsel Mindanao und ist von der Warnung ausgenommen. Die Insel ist klein und wenig bevölkert. Im Inselinneren ragen einige Vulkane in den Himmel, auch diese werden übrigens vom PHIVOLCS bewacht. Die steilen Hänge sind mit dichtem Regenwald bewachsen. Nur an der Küste gibt es kleine Städtchen. J und ich haben uns ein kleines Häuschen gemietet, am Rande der Inselhauptstadt Mambajao. Ein Österreicher hat dort ein großes Landstück gekauft und kleine Hütten errichtet. Wir hatten eine geräumige Unterkunft mit eigener Küche und Terrasse, davor einen wilden Garten mit Bananen, Papayas und Gemüse, reif für die Ernte. Ich hatte ein Moped gemietet, um die nahe Stadt zu erreichen und zum Beispiel auf dem Markt die Zutaten zum Kochen zu kaufen. Die Unterkunft hat Starlink-Internet. Die gemeinsame Zeit hier war kein normaler Urlaub, sondern eher ein produktives Zusammenleben. J und ich arbeiteten beide am Laptop. Sie ist für eine internationale Firma tätig und managet die Tätigkeiten des Unternehmens in den Philippinen. Ich musste mein Filmmaterial sichten. Dazwischen unternahmen wir Ausflüge. Mal ganz früh morgens oder am Nachmittag und Abend. Wir besuchten kleine Inseln mit fantastischen Stränden vor der Küste von Camiguin, fuhren zu einem Wasserfall, badeten in kalten und heißen Quellen und erkundeten die kleinen Dörfer mit dem Motorrad. Jeden Abend fanden wir woanders einen wunderschönen Sonnenuntergang vor. Am freien Samstag umrundeten wir die Insel komplett. Nach Sonnenuntergang fuhren wir die dunkle Straße ins Inselinnere hinauf. Mitten im Dschungel parkten wir und waren von schwarzer Finsternis umgeben. Am Himmel standen tausende Sterne und im dichten Wald um uns herum schwirrten Glühwürmchen. Die Zeit auf Camiguin war für mich sehr wertvoll. Das Zusammenleben, einerseits produktiv, andererseits auf Reisen, hat mir gut gefallen. Eine solche Mischung will ich zukünftig gern öfter erleben.

Nun nahte sich in schnellen Schritten meine Abreise. Für ein paar kurze Tage waren wir noch auf Bohol in der Inselhauptstadt Tagbilaran. Anfang Mai gibt es auf Bohol viele Feste. In Tagbilaran besuchten wir einen Streetfoodmarkt und einen Rummel. Dort lernte ich verschiedene philippinische Glücksspiele kennen. Ich weiß nun, bei welchen Spielen man definitiv betrogen wird und bei welchen man zumindest eine Chance hat, zu gewinnen. Am ersten Mai zog eine riesige Parade durch Tagbilaran. Tänzer aus den einzelnen Stadtteilen, hier Barangays genannt, bahnten sich ihren Weg durch die Straßen. Sie führten regelrechte Theaterstücke auf, in tolle Kostüme gehüllt und begleitet von großen Bands. In der Nacht gab es dann einen Tanz- und Theaterwettbewerb zwischen allen Barangays. Ich vermute, dass das übergeordnete Thema „Digitalisierung“ war, da viele der Tänzer als Computer, Handys oder Apps verkleidet waren.

Am nächsten Tag flogen wir zusammen nach Manila. Ein letztes Mal kam ich also in der Stadt an, in der ich mich so wohl fühle. Doch diesmal war der Abschied zum Greifen nah und die Stimmung eher gedrückt. Am nächsten Tag fuhr ich zum Flughafen und ließ J und die Philippinen erneut zurück. Auch diesmal viel mir das schwer.

Was hat mir diese Reise gezeigt? Zum einen war es ein erfolgreicher Dreh und ich freue mich auf die fertigen Filme. Zum anderen habe ich gerade in den letzten zwei Wochen gemerkt, dass ich gern viel mehr Zeit im Ausland verbringen will. Teile meiner Arbeit wie die Recherchen, Drehvorbereitungen und ähnliches kann ich problemlos außerhalb Berlins durchführen, denn auch hier würde ich das ja nur im Home-Office machen. Ich plane also nun, viel mehr Zeit in Reisen zu stecken und teilweise vom Ausland aus zu arbeiten. Auch mit J würde ich gern bald erneut reisen bzw. zusammenleben und arbeiten, so wie wir es hier gemacht haben.

Mal sehen, was die Zukunft bringt. In den Philippinen habe ich mich jedenfalls sehr wohl und zuhause gefühlt. Die Menschen sind sehr herzlich und heißen jeden gern willkommen. Das Land liegt mir sehr am Herzen und ich werde sicher bald zurückkehren.

Wenn ihr die fertigen Filme nicht verpassen wollt, schaut gern ab und zu hier vorbei oder folgt mir auf Instagram. Ich werde mich melden, sobald das Sendedatum feststeht.

Liebe Grüße
Jonas

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