Heilige Wasser

Liebe Leser,

Eigentlich ist unsere Reise inzwischen fast zu Ende. Wir haben noch genau zehn Tage in Ecuador, bevor es mit dem Flugzeug wieder ins heimische Deutschland geht. Früher wären diese zehn Tage wohl ein ganzer Urlaub gewesen – mit der Familie in der Slowakei, Frankreich oder Italien, aber jetzt ist es für mich schon die Landephase nach sieben Monaten im Ausland. Manchmal fühle ich für einen kurzen Moment sogar ein bisschen Zeitdruck, weil es doch noch so viel zu entdecken gibt. Ich glaube nämlich, dass Ecuador noch vielseitiger ist als Panama. Andererseits freue ich mich nach so einer langen Reisezeit unglaublich auf die Heimat. Meine Eltern treffen, meine Geschwister, Freunde und Verwandte und dann die Heimkehr nach Offenburg – ich bin schon sehr aufgeregt, so viele weit entfernte Menschen wieder zu sehen. Und so bin ich auch doch nicht zu traurig, Ecuador bald zu verlassen, und kann die letzten Tage sehr entspannt genießen.

Wie ich zuletzt geschrieben hatte, wurden wir in unserer Reise ein klein wenig ausgebremst. Nachdem wir im Süden des Landes einige schöne, aber anstrengende Wanderungen unternommen hatten, waren Eric und ich krank und geschwächt. Wir haben uns dann sehr schnell auf den Weg gemacht, nach Baños de Agua Santa, einem Ort von dem wir uns Abhilfe erhofften. Baños liegt am Fuße des recht aktiven Vulkans Tungurahua. Der Name Baños de Agua Santa heißt zu deutsch “Bäder des Heiligen Wassers”. Das kommt daher, dass es in diesem Ort viele Quellen gibt, aus denen sehr heißes Wasser emporschießt. In Baños  hat man deshalb einige Bäder errichtet, die ihre großen Becken mit diesem warmen Wasser speisen.

Als wir in Baños ankamen, waren wir noch nicht fit genug für große Unternehmungen. Zwar sahen wir gleich, dass die Umgebung wunderschön sein musste, denn direkt neben der Stadt ragen große Berge hinauf, der Vulkan Tungurahua ist sogar ganze fünf Kilometer hoch. Auch einige Wasserfälle sieht man direkt in der Stadt, außerdem eine tiefe Schlucht mit einem reißenden Fluss – die Stadt musste also ein Paradies sein für Abenteurer und Entdecker. Doch krank wie wir waren, haben wir die ersten vier Tage ausschließlich im Thermalbad verbracht. Das Thermalbad “De la Virgen” liegt direkt in der Stadt, und unmittelbar daneben stürzt ein großer Wasserfall in die Tiefe. Das Bad ist circa hundert Jahre alt, und hat deshalb einen sehr altertümlichen Charme. Es gibt ein sehr großes Becken, das mit angenehm warmen Wasser gefüllt ist. Nebenan gibt es noch ein kleines, sehr heißes Becken. Hier hält man es aber nicht lange aus, nach spätestens drei Minuten musste ich mich unter den kalten Duschen abkühlen, die direkt vom Wasserfall abgezapft werden. Für $2 kann man hier den ganzen Tag im warmen Wasser baden, und selbst wenn es draußen regnen sollte, hier im Thermalbad kommt man schnell wieder zu Kräften. Nach vier Tagen in den heiligen Gewässern waren auch wir wieder  völlig hergestellt. Für mich waren diese vier Tage Pause sehr erholsam, und auch nicht langweilig. Im dampfenden Wasser sitzend bin ich sehr gut zur Ruhe gekommen, konnte mich unterhalten oder nachdenken, und sehr gut entspannen.

Trotzdem sind wir natürlich nicht nur zum Baden hergekommen. Und so starteten wir am fünften Tag eine sehr weite Wanderung, die für mich sehr  einprägsam war. Man muss ja wirklich von Wänden sprechen, wenn man den Talkessel um Baños beschreibt. Die Berge links und rechts der Stadt sind stellenweise fast senkrecht. Trotzdem führen einige Wege den Hang hinauf, und oben kommt man auf einem Plateau an, dass dann weniger steil bis an den Fuß des Vulkans heranreicht. Hier oben sind wir kreuz und quer gewandert, mit einer schönen Aussicht auf die Stadt und auch den Vulkan. Die Spitze des Tungurahua liegt meist in den Wolken, die stattlichen 5000 Meter sieht man dem Berg aber auf jeden Fall an. Was mich persönlich fasziniert hat, waren auch die vielen kleinen Felder und Gewächshäuser, die die Ecuadorianer hier in den Falten des Hügellandes platziert haben. Obwohl der Boden absolut nicht eben ist, bietet das Klima so gute Bedingungen für Landwirtschaft, dass man Wege gefunden hat die Felder an den Hängen anzulegen.

Durch Baños fließt der Fluss Pastaza. Der Fluss fließt irgendwann in weiter Ferne in den Amazonas, und hat über die Jahrhunderte eine tiefe Schlucht in die Berglandschaft geschnitten. Es gibt entlang des Flusses sehr viele Wasserfälle. Wir haben uns für $10 ein Fahrrad gemietet und sind auf der Straße von Baños  nach Puyo geradelt. Die Straße führt parallel zum Fluss, und somit kann man viele Wasserfälle sehr einfach erreichen und bestaunen. An einem einzigen Tag haben wir auf diese Weiße ungefähr ein Dutzend (sehr hohe) Wasserfälle gesehen. Man muss allerdings sagen, dass die gesamte Strecke recht touristisch ist. An fast jedem Wasserfall gibt es Ziplines oder Seilbahnen, und der größte der Wasserfälle, der Pailón del Diablo, ist inzwischen zu einem Mekka der Pauschaltouristen geworden, die dort wie Schüttgut zu Hunderten aus den Bussen gekippt werden.  Der Wasserfall ist zwar wirklich gewaltig und auch sehr hoch, aber die Menschenmassen machen das Erlebnis ein bisschen zunichte. Erst mit der Drohne konnte ich Fotos schießen, ohne dass mir andere Menschen vor die Linse sprangen. Die Weiterfahrt Richtung Puyo war in sofern interessant, dass man die Berge langsam hinter sich ließ, und während der Fluss immer breiter wurde, änderte sich auch die Vegetation. Das milde Bergland verwandelt sich hier immer mehr in dampfenden feuchten Dschungel. Je tiefer wir kamen, desto nässer wurde es, denn hier im Flachland um Puyo stauen sich dichte Wolken vor den Anden. Irgendwann strandeten wir in einem kleinen Dorf ein Stück weit vor Puyo in strömenden Regen. Wir waren komplett von Nebel umgeben, der Regen kam gefühlt aus allen Richtungen, und so suchten wir uns hier einen Bus, der uns, samt Fahrädern, wieder nach Baños brachte. Die Radtour hat mir an sich gut gefallen, wer sie selbst einmal fahren will sollte sich aber mehreren Schwierigkeiten bewusst sein. Es ist oft sehr steil und bergig, es kann an einigen Stellen zu Touristenströmen kommen und auch starker Regen ist zu erwarten. Wer also lieber in Ruhe und ohne Risiko Wasserfällen bestaunen möchte, sollte sich in der Umgebung von Baños umsehen.

Heute, am siebten Tag in den Heiligen Wassern, haben wir noch etwas ganz besonderes unternommen; wir waren paragliden! Das habe ich ja vor ein paar Jahren schonmal in der Dominikanischen Republik ausprobiert, aber hier hat es mir noch besser gefallen. Wir sind an einem Hang in 3000 Meter Höhe gestarrtet und haben dann mehrere Runden über dem tiefen Tal gedreht, dabei hatte man sowohl den Tungurahua, als auch den höchsten Vulkan des Landes, den über 6000 Meter hohen Chimburazu im Blick.

Die Zeit in Baños war für mich sehr lohnenswert. Zum einen konnte ich mich mal wieder richtig gut entspannen (und gesund werden), aber auch die landschaftliche Lage ist wunderschön. Nun geht es mit neuer Kraft an die letzte Etappe unserer Reise. Wir wollen die Berge noch einmal verlassen und uns in den Osten des Landes begeben. Die sogenannten Oriente kann man als weites Quellgebiet des Amazonas sehen, die Gegend ist sehr wasserreich, und alle Flüsse werden irgendwann in dem riesigen Strom zusammengeführt. Das gesamte Gebiet ist recht unerschlossen und sollte in Zukunft nochmal Ziel einer langen Reise sein. Denn mit guter Vorbereitung und viel Zeit könnte ich es von hier per Boot bis an den Atlantik schaffen. Irgendwann werde ich hoffentlich auf diesem Blog von genau diesem Abenteuer berichten. Fürs Erste beschränken wir uns allerdings darauf den höchsten Wasserfall, sowie den aktivsten Vulkan des Landes zu besuchen. Beide liegen in der Nähe des Ortes Baeza, wo wir uns die nächsten Tage aufhalten werden. Danach geht es von dort über Papallacta nach Quito. Am 28. Februar fliegen wir von hier nach so langer Zeit nach Deutschland zurück. Meine Heimatstadt Dresden werde ich aber erst am 02. März erreichen. Davor werde ich aber noch ein oder zweimal schreiben! Also bleibt dran.

Bis bald,
Jonas

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