Quer durch die Wüste in Namibia

Liebe Leserinnen und Leser,

Kurz vor dem Jahreswechsel war ich noch ein letztes Mal unterwegs. Mit meinem Vater und meiner Schwester reiste ich drei Wochen lang durch Namibia und Südafrika. Schon lange hatte mein Vater den Wunsch, Namibia im südlichen Afrika zu besuchen. Aufgrund der Geschichte als ehemalige deutsche Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ hat Namibia auch heute noch einen engen Bezug zu Deutschland. Und auch für die unberührten Wüsten- und Savannen-Landschaften sowie die vielfältige Tierwelt ist Namibia bekannt. Weil ich im Rahmen eines Filmprojektes schon im Zentrum und im Norden des Landes war und aufgrund der hohen Temperaturen im Norden im November, entschlossen wir uns, diesmal das südliche Namibia zu erkunden. Mit der Namib-Wüste und der Kalahari-Savanne liegen hier zwei landschaftliche Juwelen des afrikanischen Kontinents.

Von Frankfurt flogen wir ohne Zwischenstopp nach Windhoek. Nach Ankunft holte uns ein Fahrer vom Flughafen ab und brachte uns zu unserer Autovermietung, wo ich einen Toyota Land Cruiser reserviert hatte. Mit dem Wagen fuhren wir dann erstmal eine Weile durch die Hauptstadt, um Lebensmittel und SIM-Karten einzukaufen. Das riesige Fahrzeug mit der ausgefahrenen Kupplung bei Linksverkehr durch eine volle und bergige Stadt zu manövrieren war eine echte Herausforderung. Doch es gelang und noch am selben Nachmittag waren wir bereits unterwegs in Richtung Süden. Für die kommenden drei Wochen würden wir auf endlosen langen Straßen oder Sandwegen die Wüstenlandschaft durchqueren und auf kleinen Campingplätzen nächtigen. Das Auto war dafür top ausgestattet. Auf dem Dach hatten wir zwei Zelte, ein weiteres Zelt für den Boden, im Kofferraum stapelten sich Lebensmittel, Feuerholz, ein Kocher, Geschirr, Stühle, ein Tisch, ein Kühlschrank, zwei Ersatzräder, Werkzeuge und ein Luftkompressor. Der Tank war mit 200 Litern Benzin randvoll und konnte uns rund 1000 Kilometer tragen.

Wildtier-Safari in der Kalahari: der Kgalagadi Transfrontier Nationalpark

Von Windhoek aus fuhren wir einen ganzen Nachmittag sowie einen weiteren halben Tag in Richtung Süd-Osten. Und nur einen Tag nach unserer Ankunft in Namibia verließen wir das Land wieder. Unser erster Stopp war der Kgalagadi Transfrontier Park, der hinter der Grenze Namibias beginnt und im Dreiländereck auf südafrikanischem und botswanischem Territorium liegt. Im Nationalpark hatte ich zwei Nächte auf Campingplätzen reserviert, die sich im südafrikanischen Teil des Naturschutzgebietes befinden. Die erste Nacht verbrachten wir im Mata Mata Camp, wenige Meter hinter dem Grenzposten, die zweite im Nossob Camp, das am Rande des ausgetrockneten Nossob-Flussbettes liegt. Die Plätze sind im weiteren Sinne kleine Dörfer mit einer Tankstelle, einem Geschäft, Zeltplätzen und Bungalows, einem Pool sowie Unterkünften und Büros für die Ranger und Polizisten, die hier tätig sind. Den Park kann man ganz bequem mit dem eigenen Auto erkunden. Es gibt ein Netz aus Sandwegen, meist in trockenen Flussbetten. An verschiedenen Stellen haben die Ranger Brunnen und Wasserbecken gebaut, damit die Tiere in der trockenen Landschaft überleben. Besonders in der Nähe der Brunnen, aber auch überall in der weiten Landschaft findet man wilde Tiere. Hier gibt es große Herden von verschiedenen Antilopen, viele Strauße, Giraffen, Hyänen, Gnus und sogar Löwen. Der Transfrontier Nationalpark ist für die große Stückzahl der Löwen bekannt. Im nahe gelegenen Krüger Nationalpark leiden 90% der Löwen unter Tuberkulose, weil sie Büffel fressen, die sich bei den nahen Rinderfarmen infiziert haben. Hier jedoch sind die Raubkatzen gesund und vermehren sich gut. Wir beobachteten einen Löwen mit prächtiger Mähne sowie vier Löwinnen schlafend unter einem Busch. An die meisten Tiere kann man recht nah heranfahren, natürlich langsam und möglichst leise. Das Auto nehmen sie nicht als Lebewesen und somit als Bedrohung war.

Nach zwei Tagen im Kgalagadi Transfrontier Park überquerten wir die Grenze am Mata Mata Grenzposten und reisten erneut in Namibia ein. Für die nächsten Tage fuhren wir weiter gen Süden. Einen kurzen Zwischenstopp legten wir direkt hinter der Grenze ein. Entlang der Straße befinden sich fast immer kilometerlange Zäune, die die karge Savanne in große Abschnitte zerteilt, auf denen sich Farmen befinden. Eine Schaffarm warb mit einem Schild für Kaffee. Also hielten wir und erkundeten nach einer Tasse Cappuccino die Farm. In Namibia sind fast alle Landgebiete von Zäunen aus Draht umspannt. Eine Farm kann hier gut und gerne zehn Kilometer breit und zehn Kilometer lang sein. Ein einzelner Farmer bewirtschaftet oft zehntausende oder hunderttausende Hektar. Fast immer sind die Landbesitzer deutschen Ursprungs. Zwar besitzen sie die Staatsbürgerschaft des unabhängigen Namibias, doch es handelt sich oft um die Enkel oder Urenkel deutscher Kolonialisten oder Auswanderer. Dazu später mehr.

Fossilien und Köcherbäume: die Steinwüste im Mesosaurus Fossil Camp

Erneut fuhren wir für Stunden durch die trockene Landschaft. Die Straße, die uns vom Grenzübergang zu unserem nächsten Ziel in der Nähe der Stadt Keetmanshoop führte, verlief quer durch die Dünenlandschaft der Kalahari. Hunderte Kilometer lang ging es auf und ab, von Dünenkamm durch Dünental zu Dünenkamm, immer und immer wieder. Selbst hier, wo die Landschaft fast ausschließlich aus Sand besteht, begleiten uns am Straßenrand die Zäune der Farmen.

Eine solche Farm war unser Ziel: Das Messosaurus Fossil Camp. Nachdem man das kleine Tor im Drahtzaun durchquert hat, befährt man eine wilde und steinige Landschaft. Über eine buckelige Piste erreicht man den Campingplatz, der inmitten der Hügel liegt. Tausende große und kleine Felsbrocken bedecken die Landschaft. Dazwischen wachsen ein paar Dornenbüsche und die berühmten Köcherbäume. Es handelt sich um eine Art der Aloe mit Stamm. Die Zweige sind hohl, um das wenige Regenwasser ganzjährig speichern zu können. Aus diesen Holzrohren stellten die Ureinwohner des Landes Köcher für ihre Pfeile her. Eine Schafherde, die durch die staubigen Geröllfelder irrte, erinnerte uns daran, auf einer Farm zu sein. Einen Zaun oder Ställe sah man hier aber nicht mehr. Die Tiere auf namibischen Farmen leben eigentlich ein Wildtier-Leben, bis sie zum Schlachten eingefangen werden: Freilandhaltung in ihrer besten Form. Im Camp erlebten wir einen wunderschönen Sonnenuntergang. Jeden Abend kochten wir über dem Feuer oder mit dem Gasherd, tranken das ein oder andere Bier und beobachteten den klaren Sternenhimmel.

Am Morgen trafen wir den Besitzer der Farm: Giel Steenkamp. Er ist in Namibia geboren und aufgewachsen und hat diese Farm 1972 gekauft. Als er damals eine Straße bauen wollte entdeckte er einen echten Schatz. In einem Stein, den er soeben weggebaggert hatte, befand sich ein gut erhaltenes Dinosaurier-Fossil. Er fand weitere Fossilien und zog damit die Aufmerksamkeit südafrikanischer Wissenschaftler auf sich. Diese stellten fest, dass es sich um die Abdrücke des Mesosauriers handelt. Die Fossilien dieses Schwimmers fand man auch in Südamerika. Das beweist, dass die beiden Kontinente vor langer Zeit nebeneinander liegen mussten. Einige der Fossilien befinden sich immernoch in der weiten Landschaft. Giel führte uns herum und zeigte uns die steinernen Zeitzeugen sowie das Grab eines deutschen Soldaten, der hier 1904 verstarb. Zum Abschluss seiner kleinen Tour spielte er uns auf einem rissigen Felsblock die Melodie von „Bruder Jakob“ vor. Die einzelnen Platten des zersplitterten Felsen klingen in verschiedenen Tönen, wenn man einen Stein draufschlägt.

Im Anschluss fuhren wir noch einen 4×4 Trail, den man nur mit einem guten Geländewagen meistern kann. Interessant sind auch die vielen Nester der Webervögel. Die kleinen Sperlinge bauen Nester, in denen teils tausende Tiere leben.

Eine gigantische Schlucht: der Fish River Canyon

Wir erreichten Hobas nach einigen Stunden auf der staubigen Sandpiste. Das kleine Örtchen besteht nur aus einem Campingplatz, einer Rangerstation und einem Restaurant. Ganz in der Nähe liegt der Fish River Canyon. Hier, im südlichen Namibia, hat der Fish River eine bis zu 550 Meter tiefe Schlucht in den felsigen Grund gegraben. Es ist eine Landschaft der Superlative: Der Fish River Canyon ist der größte Canyon Afrikas und der zweitgrößte der Welt. Es ist der längste Fluss Namibias. Und am Grund des Canyons misst man Rekord-Temperaturen. Im November sind es teilweise über 50 Grad Celsius. Zu dieser Jahreszeit ist der Fluss längst ausgetrocknet und Wanderungen in die Schlucht sind streng untersagt. Zu viele Opfer hatte die brütend heiße Schlucht in der Vergangenheit gefordert. Doch der Canyon lässt sich auch bestens vom Rand aus erkunden. Wir besuchten ihn am Abend, um bei untergehender Sonne Gin Tonic zu trinken. Am nächsten Morgen erreichten wir erneut verschiedene Aussichtspunkte am Rand der mächtigen Klippen. Die endlos scheinende Weite der Schlucht ist beeindruckend.

Auch die Wüstenlandschaft selbst ist hochinteressant. Trotz der Trockenheit fanden wir einige Pflanzen, die in voller Blühte standen. Und auch Tiere leben hier. Wir begegneten einer kleinen Herde verstaubter Zebras.

Die Anfänge der deutschen Kolonialisierung: Diamantenstädte rund um Lüderitz

Von 1884 bis 1915 befand sich auf dem Gebiet des heutigen Namibias die deutsche Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Das Gebiet war ungefähr anderthalbmal so groß wie das Deutsche Kaiserreich und es war die einzige deutsche Kolonie, in der sich eine große Anzahl deutscher Siedler niederlies. Damals war das Land von verschiedenen Stämmen, wie den Herero, den Ovambo oder den Nama, bewohnt. Spuren dieser Zeit sind allgegenwärtig. Eine Vielzahl der Orte tragen deutsche Namen, weiße Namibianer deutschen Ursprungs leiten die meisten Farmen, Tankstellen und Supermärkte. Der Ort Lüderitz und das Umland sind besonders spannend, da sie die Anfänge der deutschen Ansprüche verdeutlichen.

An der Bucht des heutigen Lüderitz kaufte der Tabakhändler Adolf Lüderitz im Jahr 1883 ein circa 40 Meilen langes und 20 Meilen tiefes Landstück vom dortigen Stammesführer. Er wollte einen Handelsposten errichten und nach Bodenschätzen suchen. Der Verkäufer ging davon aus, dass es sich um englische Meilen à 1,6 Kilometer handelt. Doch nach dem Verkauf wurde ihm klargemacht, dass es ich selbstverständlich um preußische Meilen von 7,5 Kilometer Länge handeln muss. Dieser sogenannte „Meilenschwindel“ führte dazu, dass der Stammesführer einen Großteil seines Stammesgebietes verkauft hatte. Adolf Lüderitz fand jedoch keine Bodenschätze und musste das Land bereits 1885 an die Deutsche Kolonialgesellschaft in Südafrika verkaufen. Nur ein Jahr später ging er bei einer Erkundungstour am Oranje-Fluss verloren.

Im Rahmen des Aufbaus der deutschen Kolonie wurde eine Schmalspurbahn ins Landesinnere errichtet. Und während der Bauarbeiten fanden die Arbeiter im Wüstensand Diamanten. Die kleine Hafenstadt Lüderitz erlebte einen riesigen Boom. Für die Suche nach Diamanten wurde die Stadt Kolmannskuppe errichtet. Ab 1908 suchten die Bewohner der Stadt hier nach Diamanten. Die Bergbaustadt Kolmannskuppe oder auch Kolmanskop war außergewöhnlich luxuriös: Es gab eine Kulturhalle mit Kegelbahn, einen Lieferdienst für Eis zum Kühlen von Lebensmitteln und Getränken, einen deutschen Bäcker und Fleischer, ein Schwimmbad sowie ein großes Krankenhaus mit dem ersten Röntgengerät auf dem afrikanischen Kontinent. Der Diamantenrausch dauerte bis 1930 an, danach waren die umliegenden Diamantenfelder abgebaut. Die Bewohner überließen den Ort der Wüste. Heute kann man die Geisterstadt besuchen und durch die leeren Häuser gehen. Der Wüstensand holt sich den Ort nach und nach zurück. Der Besuch in Kolmannskuppe ist spannend, da viele der Häuser noch recht gut erhalten sind. Auch gibt es eine kleine Ausstellung sowie eine vollständig eingerichtete Wohnung aus der damaligen Zeit.

Wahrscheinlich ist Kolmannskuppe der bekannteste Ort, wenn es um die Spuren deutscher Kolonialisierung in Namibia geht. Doch rund um Lüderitz gibt es weitere, wesentlich weniger bekannte Geisterstädte. Besonders südlich von Lüderitz schien es noch mehr Diamanten zu geben. Hier entstanden weitere Bergbauorte wie Pomona und Elisabeth Bay. Seit 1908 ist das gesamte umliegende Küstengebiet, mit Ausnahme der Hauptstraße nach Lüderitz, ein Sperrgebiet. Man wollte die unlizensierte Suche nach Diamanten verhindern. In das Sperrgebiet kann man heute nur mit einigen wenigen Guides hinein, die von der Regierung Namibias und den besitztragenden Diamanten-Firmen eine Genehmigung haben. Eine Tour zu den Geisterstädten im Sperrgebiet kostet rund 300 Euro. Am Ende des Tages durchsuchen Wachen das Auto, um zu verhindern, dass man zufällig gefundene Schätze entwendet. Die Kontrolle ist jedoch eher symbolisch. Einen kleinen Diamanten könnte man natürlich problemlos verstecken.

Ich hatte die Tour ins Sperrgebiet für mich gebucht. Meinem Vater und meiner Schwester war es zu teuer, sodass sie sich stattdessen für einen ruhigen Tag in Lüderitz entschieden. Wir waren insgesamt sieben Gäste mit zwei Guides, die uns in zwei Geländewagen durch die Gegend fuhren. Hier gab es nur noch einspurige Sandwege, die streckenweise auch gar nicht mehr auffindbar waren, weil die Wanderdünen sie längst begraben hatten. Die beiden Autos bahnten sich ihren Weg über die weichen Dünen und durch den feinen Sand. Wir besuchten verschiedene, längst verlassene Siedlungen. In einem Ort fanden wir mehrere Türme, in denen Süßwasser aus dem Boden gepumpt wurde. In stählernen Würfeln mit 1000 Litern Volumen konnte es in die umliegenden Orte transportiert werden. Auch diese Würfel liegen noch in der Wüste.

In der Nähe des Ortes Pomona stapeln sich dutzende Siebe im Sand. Damit haben die Arbeiter den Wüstensand gesiebt und den Kies mit der typischen Größe der Diamanten herausgefiltert. Dieser Kies wurde in einer Fabrikhalle mit mehreren Maschinen durchgespült und die harten und sehr schweren Diamanten extrahiert. Auch diese Fabrik ist noch zu sehen. Ebenso die Schiene der Eisenbahn, die den Kies transportierte. Entlang der Diamantenfelder findet man außerdem die alten Türmchen aus Stein, die die Claims der einzelnen Geschäftsleute markieren. Und an manchen Stellen ist der Wüstensand ganz hügelig. So erkennt man noch heute, wo der Sand nach dem Sieben aufgeschüttet wurde. Auch hier kann man durch die leeren Häuser gehen. Sie sind aber viel unberührter als die Gebäude in Kolmannskuppe.

Zum Abschluss der Tour stoppten wir an der Atlantikküste. Hier befindet sich ein 55 Meter hohes Felsentor, der „Bogenfels“. Die Wellen des Atlantiks schlagen mit ungebremster Kraft an die steilen Klippen. Danach ging es quer durch die Wüste zurück in die kleine Stadt Lüderitz. Auch hier ist die deutsche Architektur allgegenwärtig.

Die damals gebaute Eisenbahn führte von Lüderitz nach Aus. In diesem Ort übernachteten wir zwei Nächte auf einem tollen Campingplatz in einem Tal zwischen hohen Felsen. Die Landschaft rings um Aus ist wunderschön. Wir wanderten über die Berge und meine Schwester Lisann nutze die Abendstunden, um die Landschaft zu malen. Auf dem Campingplatz gab es auch ein kleines Restaurant mit Buffet, wo wir zu Abend aßen.

In einer der nahen Schluchten liegt ein Autowrack, von Einschusslöchern übersäht. Angeblich seien zwei Diamantendiebe in diesem Fahrzeug geflüchtet. Die Polizei hat sie in dieser Schlucht eingeholt und zur Strecke gebracht, doch die Beute hatten die Diebe unterwegs verloren. Nun geistern sie wie Gespenster durch die Nacht und suchen bis heute nach den Diamanten. So kam die „Geisterschlucht“ zu ihrem Namen.

Auch der Ort Aus ist einen Besuch wert. Hier gibt es eine alte Kirche und ein paar historische Häuser deutscher Bauart. Besonders spannend ist aber der nahe Tsau Khaeb Nationalpark. Dort findet man zum einen mehrere alte Bahnstationen entlang der Linie von Lüderitz nach Aus sowie eine große Vielfalt wilder Tiere. Alte Bekannte waren Strauße und Oryx-Antilopen. Doch hier gibt es auch Wildpferde. Mitten in der Wüste sieht man die sportlichen Tiere durch den Sand traben. Es könnte sich um die Nachkommen deutscher Kriegspferde handeln. Denn zum Ende des ersten Weltkrieges mussten die deutschen Soldaten das Land verlassen und ließen wohl ihre Pferde zurück. Andere Theorien besagen, dass es geflohene Hauspferde oder die Tiere einer geschlossenen Pferdefarm waren, die die Population des namibischen Wildpferdes begründeten. Ein deutscher Pilot hat wohl außerdem im ersten Weltkrieg das Lager der südafrikanischen Armee bombardiert, wodurch weitere 1700 Pferde in die Wüste entkamen. Sicher ist, dass es sich bei diesen Pferden um verwilderte Hauspferde und nicht um echte Wildpferde im eigentlichen Sinne handelt. Rund 300 Tiere gab es einst, doch nach jahrelanger Dürre leben heute nur noch rund 90 Pferde in der Wüste bei Aus. Das namibische Wüstenpferd ist vom Aussterben bedroht.

Der Besuch in der Region von Lüderitz war für uns alle ein ganz besonderes Erlebnis. Mein Vater und ich hatten uns schon vorher sehr für die Geisterstädte interessiert. Ich wusste auch, dass das eine tolle Fotokulisse sein wird. Besonders die Tour ins Sperrgebiet fand ich lohnend. Aber auch meiner Schwester Lisann hat diese Reiseetappe besonders gut gefallen.

Das Sossusvlei: Eine längst vertrocknete Oase

Nach ein paar Tagen in Lüderitz und Aus fuhren wir weiter gen Norden. Die Naturkulisse änderte sich langsam. Während wir in Lüderitz von hellen Sanddünen umgeben waren, färbte sich die weite Landschaft nun langsam rot. Die Wanderdünen in der zentralen Namib Wüste haben ihren Ursprung am Oranje River und werden vom Wind zum Meer geschoben. Metallhaltige Partikel im Sand rosten, daher die typisch rote Färbung. Immer tiefer fuhren wir in die Namib Wüste hinein. Die Aussicht glich mehr und mehr einer Marslandschaft.

Wir übernachteten auf einer Farm in der Nähe von Helmeringshausen. Ich fuhr in den kleinen Ort, in der Erwartung, dann nur noch den Schildern in das nahe Camp zu folgen. Doch kaum in Helmeringshausen angekommen, stellten wir fest, dass wir die „nahe Farm“ schon längst passiert hatten. Diese Unachtsamkeit kostete uns fast zwei Stunden. Doch endlich erreichten wir unser Ziel und die Besitzerin, Anke Izko, machte uns wieder Mut. Bei so einer schönen Landschaft lohne sich jede zusätzliche Minute, die man unterwegs ist. Das stimmt natürlich.

Ihre Farm war noch größer als alle, die wir bisher gesehen hatten. Der Weg von der Straße zum Farmhaus ist bereits über zehn Kilometer weit. Und dort angekommen sieht man in keine Himmelsrichtung einen Zaun. Das Gebiet muss riesig sein. Doch im Wüstensand ist Tierhaltung eine große Herausforderung. Trotz mehrerer künstlicher Brunnen war die Gegend praktisch unbegrünt. Lediglich in einem kleinen Seitental, geschützt durch hohe Berge, wuchsen ein paar Bäume. Hier halten die Izkos Pferde und Geflügel. Der Campingplatz war fantastisch. Neu gebaute Duschen und Toiletten schmiegten sich an die rauen Felswände. Jeder Stellplatz hatte einen Grill, eine Feuerstelle und einen Tisch mit Sonnenschutz. Wir waren die einzigen Gäste und hatten deshalb eine ruhige und sternenklare Nacht in dem kleinen Tal. Am Abend kletterten wir noch bei starkem Wind einen Berg hinauf, um den Sonnenuntergang zu beobachten, bevor wir im Camp über dem Lagerfeuer kochten.

Am nächsten Tag erreichten wir das Örtchen Sesriem. Auch dieser Ort ist rein zweckmäßig. Es gibt eine Tankstelle mit einem Laden sowie einige Campingplätze und Lodges. Im Ort liegt auch der streng bewachte Eingang zum Sossusvlei. Jeden Morgen wird das Tor geöffnet und abends geschlossen. Eine Straße führt durch ein ausgetrocknetes Flussbett, das die riesigen roten Wanderdünen durchschneidet. Rund 60 Kilometer weit kann man dieser Straße folgen, bevor das Flussbett und somit auch der Fahrweg enden.

In der Nähe des Eingangs liegt ein kleiner Canyon. Hier hat der Tsauchab Fluss über zwei Millionen Jahre hinweg eine Schlucht in den steinigen Boden geschnitten. Selbst im November konnten wir hier noch einige Pfützen finden. Die ersten deutschen Siedler versorgten sich wohl aus dem Canyon mit Wasser. „Sechs Riemen“ mussten sie aneinanderknüpfen, damit ihr Eimer den Grund erreichte. So entstand der Name Sesriem für den nahen Ort. Der Canyon ist nicht besonders tief und überwiegend schattig und daher eine kleine Wanderung wert. Aufpassen muss man jedoch mit Pavianen. Die sind zwar scheu, aber oft fallen sie über die geparkten Autos her, wenn man unterwegs ist. Uns haben sie einen Spiegel umgeknickt. Bei einem anderen Auto haben die Affen das gesamte Gepäck zerlegt, was in großen Säcken auf dem Dachgepäckträger befestigt war.

„Nett hier, aber waren Sie schonmal in Baden-Württemberg?“ Die kleinen Aufkleber mit dem lustigen Werbespruch sind in Namibia ebenso allgegenwärtig wie die Duscharmaturen von Hans Grohe. Und auch die Bewohner des drittgrößten Bundeslandes selbst reisen um die Welt. Häufig trafen wir auf Baden-Württemberger, was mich immer sehr freut, da auch ich ja lange im Ländle gewohnt habe. Auf dem Campingplatz begegneten wir Carina und Urs aus Tübingen. Die beiden waren auch bei meiner Tour ins Sperrgebiet dabei und besuchten nun Sesriem, zufällig zur gleichen Zeit wie wir. Für den folgenden Tag schlossen wir uns zusammen. Um sechs Uhr morgens durchquerten wir als erste das Tor und fuhren zur Düne 45 – die 45 Kilometer entfernt vom Eingang liegt. Bei relativ milden Temperaturen kletterten wir auf die 170 Meter hohe Wanderdüne. Sie besteht aus fünf Millionen Jahre altem Sand. Eine solche Wanderung ist sehr anstrengend, da man mit jedem Schritt wieder ein gutes Stück hinab rutscht. Wir schafften es alle auf den ersten Rücken der Düne, von wo aus man schon einen ganz tollen Ausblick hatte. Lisann und ich liefen weiter, hinauf auf den höchsten Punkt der Düne. Urs war uns längst vorausgeeilt und auch Carina folgte uns, nachdem sie sich einen Dorn aus dem Fuss entfernt hatte. Das Wandern in der Wüste ist eine besondere Herausforderung.

Anschließend fuhren wir bis ans Ende der Straße, zum sogenannten Sossusvlei. Als Vlei bezeichnet man eine Ton-Salz-Pfanne. Sossus bedeutet „blinder Fluss“. Hier, nur 50 Kilometer vor der Atlantikküste, geht dem Tsauchab Fluss die Kraft aus. Der aus dem Landesinneren kommende Strom schafft es einfach nicht mehr weiter. Er versandet, verdunstet, trocknet aus. Und somit endet auch die Straße, denn abseits eines Flussbettes wäre ein Straßenbau unmöglich. Die letzten Kilometer der Strecke wurden immer schwieriger zu befahren. Der Weg verläuft dort durch weichen, knietiefen Sand. Mit dem Allradantrieb, einer hohen Geschwindigkeit und reduziertem Reifendruck kann man sich aber durch den weichen Untergrund wühlen. Am Ende der Straßen gibt es zwei Optionen. Man kann direkt in die ausgetrocknete Oase Dead Vlei laufen. Oder man besteigt den „Big Daddy“, eine der höchsten Wanderdünen auf der Welt. Die gewaltige Düne erreicht eine Höhe von unglaublichen 380 Metern. Carina und mein Vater entschlossen sich, direkt in das Dead Vlei zu wandern, doch Lisann, Urs und ich nahmen den steilen Aufstieg in Angriff. Rund 35 Minuten lang quälten wir uns bei inzwischen brütender Hitze den Berg hinauf. Mit jedem Schritt sank man wieder tief in den Sand ein. Wir überholten einige Menschen, die teilweise schon mehrere Stunden mit der Düne kämpften. Auf halber Strecke trafen wir zwei Französinnen, die schon seit drei Stunden unterwegs waren, aber kein Wasser dabeihatten. Nun saßen sie Zigarette rauchend und resigniert in der Hitze. Wir gaben ihnen einen halben Liter Wasser und hoffen bis heute, dass sie den Tag überlebt haben. Irgendwann erreichten wir den Gipfel. Die Aussicht ist gewaltig. Bis zum Horizont erstrecken sich hunderte rote Dünen, nur gelegentlich unterbrechen noch größere Felsen die weichen Wellen in der Landschaft.

Während der Aufstieg kräftezehrend und lang war, ging der Abstieg einfach und schnell. Wir brauchten nur den steilen Hang hinabzurennen und waren drei Minuten später bereits im Dead Vlei. Vor rund 900 Jahren, so sagt die Nationalparkverwaltung, hat der Tsauchab hier einige Oasen mit Wasser versorgt. Im Dead Vlei wuchs damals ein üppiger Wald. Doch die Wanderdünen schnitten die Pfannen vom Fluss ab und die Bäume trockneten aus. Es ist sogar so heiß und trocken, dass die Bäume nicht verrotten. Deshalb stehen hier noch heute die Skelette von teils über 1000 Jahre alten Bäumen. Die vertrockneten Stämme sind ein Symbolbild für die Namib Wüste. Die meisten Reisenden wollen das Dead Vlei besuchen. Es ist die wohl berühmteste Sehenswürdigkeit des Landes. Trotzdem sind hier keine Besuchermassen. Denn täglich erreichen nur knapp 1500 Touristen das Land.

Wir verbrachten einen schönen Wandertag mit Carina und Urs, den wir am Pool auf dem Campingplatz ausklingen ließen. Am nächsten Morgen brachen wir auf. Nun würden wir die Namib Wüste endgültig verlassen. Wir steuerten Walvis Bay an. Der Ort ist durch einen Sandweg mit Sesriem verbunden. Die Fahrt dauert rund sechs Stunden. Unterwegs kommt man an der berühmten Solitaire Tankstelle vorbei. Sie liegt an einer Kreuzung, von der aus Straßen nach Walvis Bay, Sesriem und Windhoek führen. Vor rund 80 Jahren entstand die kleine Siedlung, die neben der Tankstelle auch eine Kirche mit Orgel, eine Werkstatt, Unterkünfte, einen Laden und eine Bäckerei umfasst. Letztere ist berühmt für ihren Apfelkuchen, der oft als bester Apfelkuchen in Afrika bezeichnet wird.

Der Kuchen schmeckte gut, ich glaube aber nicht, dass es der Beste in Afrika ist. Nach einer kurzen Pause setzten wir den Weg fort und erreichten am Abend Walvis Bay.

Namibias raue Küste: Lebensraum für Robben und Flamingos

In Walvis Bay hatte ich ein Häuschen gemietet, weil es an dem Ort oft sehr kalt und windig ist. Carina und Urs zelteten nur wenige Meter weiter. Am Abend gingen wir gemeinsam essen. Auf dem Weg zum Restaurant konnten wir ein wenig die Stadt erkunden, die sich trotz ihrer Größe sehr ruhig und fast seelenlos anfühlt. Kleine Häuser mit Vorgärten lagen am Rand der menschenleeren Straßen. Zumindest in unserer Gegend im Süden der Stadt konnte ich fast keine Geschäfte ausfindig machen. Dafür tummelten sich im Matsch in der 12.600 Hektar großen Bucht unzählige Flamingos. Es sollen über 60.000 Tiere sein, die in der Walfisch Bucht leben. Es gibt hier zwei Arten: die Rosaflamingos und die Zwergflamigos. Letztere sind besonders in Stadtnähe anzutreffen und fallen durch ihren tiefroten Schnabel und die kräftige rosa Färbung auf. Die etwas helleren Rosaflamingos sollten wir erst am nächsten Tag und weit entfernt vom Stadtzentrum antreffen.

Früh am Morgen machten wir uns auf den Weg: unser Ziel war die Spitze der sandigen Halbinsel, die die Walfisch Bucht vor den rauen Wellen des Atlantiks schützt. Fast 30 Kilometer weit reicht die Sandbank. Nur durch ihren Schutz ist der artenreiche Lebensraum im „Walvis Bay Feuchtgebiet“ überhaupt entstanden. Nach einer langen Fahrt durch den nassen Sand erreichten wir unser Ziel, eine Robbenkolonie am Rande der Lagune. Hier warteten noch ein paar andere Touristen, unter ihnen wieder unsere neuen Freunde Carina und Urs. Sie alle hatten sich mit zwei Autos von Guides hierherfahren lassen. Wir waren die einzigen mutigen Selbstfahrer. Die Guides hatten Paddelboote im Gepäck und so konnten wir einen Vormittag lang die Lagune erkunden. Entlang des Ufers paddelten wir Seite an Seite mit tausenden Robben. Insgesamt 50.000 Robben der Art Südafrikanischer Seebär leben hier. Die neugierigen Tiere schwammen um unsere Boote herum und bissen sogar in die Paddel. An Land konnte man sich ihnen auf wenige Meter nähern. Zurzeit haben die Robben ihre kleinen Jungen. Der Strand war voll von Heulern. Zwischen den Seebären tummelten sich auch die Flamingos. Hier sahen wir zum ersten Mal die deutlich größeren, aber blassen Rosaflamingos.

Am Rande der Bucht wird Meersalz gewonnen.

Am Nachmittag fuhren wir nach Swakopmund. Es ist nach Windhoek und Walvis Bay die drittgrößte Stadt des Landes. Lange diente sie den deutschen Kolonialisten als wichtigster Güterhafen, da der Ort deutlich zentraler liegt als Lüderitz. Noch heute prägen deutsche Bauwerke das Stadtbild.

In Swakopmund übernachteten wir nur und machten einen kurzen Rundgang durch die Stadt. Bereits am nächsten Morgen setzten wir unseren Weg nach Norden fort. Unser nächstes Ziel war „Cape Cross“. Das Kreuzkap wurde von einem portugiesischen Seefahrer entdeckt, der eigentlich den Seeweg nach Indien suchte. Heute ist es ein Robbenreservat. Es ist die weltgrößte Kolonie der südafrikanischen Seebären. Laut Aussage der Ranger leben hier bis zu 500.000 Tiere. Als wir das Kap erreichten, waren wir schockiert. Tatsächlich erblickten wir eine unfassbar große Anzahl von Robben. Doch es stank fürchterlich und überall lagen tote Tiere, meist Heuler, zwischen den Robben. Es war viel zu voll und viel zu eng. Die Tiere stapelten sich auf den Klippen, stritten und bissen einander. Mütter schleppten ihre Kinder durch die Gegend, die Zähne in den Nacken geschlagen. Kaum abgesetzt, rannten die kleinen Tiere wieder in alle Himmelsrichtungen davon. Manchmal geraten sie dabei in den Weg schwerer Bullen, die sie einfach platt walzen. Oder sie stürzen die steilen Felsen hinab. Viele der Kleinen verhungern auch, wenn ihre Mutter im Meer verstirbt, sie nicht mehr finden kann oder aufgrund des Fischmangels keine Milch mehr produziert. Rund ein Drittel der Jungtiere überlebt nicht. Eine solche Kulisse kann man kaum mit Worten beschreiben. Der Gestank, die tausenden toten Tiere und das aggressive Geschrei waren sehr eindrücklich. Lisann konnte sich das Spektakel nicht länger ansehen und zog sich nach wenigen Minuten in unser Auto zurück. Mein Vater und ich blieben vor Ort, um das Geschehen zu beobachten. Zu allem Übel hatten die Ranger einen Holzweg gebaut, der mitten in die Robbenkolonie hineinführte. Die Gitter waren gerade breit genug, dass sich die kleinen Heuler hineinzwängen konnten. Dann sah man sie völlig verwirrt auf den Brettern sitzen, während ihre Mütter auf der anderen Zaunseite standen und riefen. Ich sah eine Robbe, die ihr Kind am Nacken packte und es mit aller Kraft durch die engen Stäbe zerren wollte. Doch die kleine Robbe verkantete sich immer wieder, bis die Mutter aufgab.

Eine Rangerin erzählte uns nachher, dass sie im Abstand einiger Stunden die Robbenbabys über den Zaun heben würden. Bis zu zwei Tage lang können sie ohne Milch überleben, der Zaun sei also keine wirkliche Gefahr. Außerdem wolle man den gesamten Weg in naher Zukunft anheben und auf Stelzen verlegen. Dann könne kein Tier mehr durch den Zaun kriechen. Sie zeigte auf einen kleinen Holzstapel, der am Wegrand lag. Damit kann man zumindest die ersten zehn Meter des Weges neu bauen, schätze ich. Doch ehrlich gesagt ist der durch den Zaun angerichtete Schaden im Verhältnis sicher gering. Denn auch ganz ohne menschliches Zutun sterben hier zehntausende Robbenbabys. Für mich war der Besuch in der Robbenkolonie eine interessante, einprägsame, aber nicht schöne Erfahrung. Ich würde daher empfehlen, nur die Robben in der Walvis Bay anzuschauen. Denn hier, in Cape Cross, braucht man starke Nerven.

Nashörner und Büffel: Tiervielfalt am Waterberg

Nach diesen erschütternden Szenen verließen wir die Küste. Unsere Reise neigte sich langsam den Ende entgegen. Die verbleibenden Tage wollten wir für einen kurzen Abstecher in den nahen Norden nutzen. Zwar würden wir nicht den Etosha Park im hohen Norden des Landes erreichen, aber immerhin das Waterberg Plateau auf halber Strecke. Auf dem Weg dorthin machten wir ein paar Zwischenstopps. Eine Nacht verbrachten wir am Fuße des Brandberges, in einem kleinen Campingplatz neben einem großen Felsen. Den kletterten wir am Abend hinauf, um die weite Landschaft von oben zu bestaunen.

Am nächsten Tag sahen wir einen Elefanten am Straßenrand. Bald erreichten wir das Ombu Village, ein Dorf der Herero, indem wir übernachten wollten, bis wir am Folgetag zum Waterberg weiterfahren würden. In der Nähe des Dorfes, in der Otjiwa Safari Lodge, nahmen wir zu dritt an einer Nashorn-Safari teil. Der Guide fuhr mit uns durch die weite Landschaft und suchte nach Nashorn-Spuren und Kot. Nach knapp zwei Stunden hatte er die Tiere gefunden. Zu Fuß konnten wir uns den gewaltigen, aber friedlichen Tieren nähern. Aber Achtung: Das war nur möglich, weil es sich um zwei männliche Jungtiere handelt. Sobald eine Mutter mit Kind Teil der Herde ist, werden Menschen und manchmal sogar Autos von den riesigen Tieren angegriffen.

Nach dieser Safari führte uns ein Guide namens Patrick Jeomba durch das Dorf. Das Ombu Village ist das Zuhause einiger weniger Herero-Familien. Ziel von Patrick ist es, den Besuchern einen Eindruck vom Leben und der Kultur zu vermitteln. Die Führung kostet wenige Euro und ist definitiv ihr Geld wert. Am Rande des Dorfes haben die Herero verschiedene Hütten gebaut, die darstellen, wie sich ihre Architektur über die Jahre verändert hat. Früher lebten sie als Nomaden in einfachen Lehmhütten. Heute haben sie kleine Häuschen mit Fenstern. Die Hütten sind authentisch und traditionell eingerichtet. Wir beobachteten zwei Frauen, die aus getrockneten Pflanzen ein Duftpulver herstellten. Das nutzen die Herero als Teil ihres Sonnenschutzes aus nassem Lehm sowie für Feste oder sogar als Duft nach dem Sex, weil sie hier oft nicht duschen können. All das erklärte uns Patrick, während wir durch das Dorf spazierten. Lisann konnte auch ein typisches Kleid der Herero anprobieren. Patrick erzählte uns viel über den Glauben seines Volkes. Eine zentrale Rolle spielen die verstorbenen Ahnen, mit denen man stets im Austausch steht. Der Dorf-Geistliche spricht mit ihnen, informiert sie über das Geschehen, bittet um Rat und Hilfe. Zum Abschluss unserer Tour kontaktierte er die Ahnen und erzählte ihnen von unserem Besuch. Er bat um Schutz für uns auf dem Rest unserer Reise.

Ein wichtiges Thema war auch der Völkermord an den Herero und Nama durch deutsche Soldaten. Patrick betreibt ein kleines Museum am Rande des Dorfes, das die Geschichte der Herero zeigt. Im Jahr 1904 begann ein Aufstand der Herero gegen die Besatzer, geschürt von Existenzängsten, da die Kolonialisten aus dem deutschen Kaiserreich immer mehr Land für die eigene Viehhaltung beanspruchten. Die Herero sind aber selbst Kuhhirten und sahen zu Recht ihre Lebensgrundlage bedroht. Sie rebellierten und griffen deutsche Farmen und Einrichtungen an. Der deutsche Kaiser entsandte den Generalleutnant Lothar von Trotha mit 15.000 Soldaten. Ausgestattet mit modernen Waffen vertrieb er die Herero und drängte sie in die Omaheke-Wüste hinein. Die wenigen Wasserquellen lies er bewachen oder versiegeln, sodass viele Herero verdursteten. Darüber hinaus kam es in den nächsten Jahren immer wieder zu Massenhinrichtungen. Die deutschen Streitkräfte betrieben mehrere Konzentrationslager, die nur jeder Zweite überlebte. Der Völkermord in Deutsch-Südwestafrika kostete zwei Dritteln des Stammes, also 40.000 bis 60.000 Herero sowie etwa 10.000 Nama das Leben. Generalleutnant von Trotha sagte „Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf. Ich treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen. Dies sind meine Worte an das Volk der Hereros.“ Dieses Zitat hat Patrick auch im Museum auf ein großes Plakat gedruckt. Trotz der erschütternden Geschichte sind die Menschen hier im Dorf offen und heißen alle Besucher herzlich willkommen. Patrick sagt, dass er keinen Groll gegen deutsche Besucher hegt. Das Geschehene ist lange vergangen und heute schätzt er seine Gäste aus Deutschland.

Vom Ombu Village aus reisten wir zum nahen Waterberg. Es ist ein 48 Kilometer langes und 15 Kilometer breites Felsplateau. Bekannt ist der Ort aufgrund der Waterberg-Schlacht im Jahr 1904 als Teil der Kriegsführung von Generalleutnant von Trotha gegen die Herero. Heute ist das rund 200 Meter hohe Plateau ein Nationalpark. Der Campingplatz am Fuße der Klippen wird von der namibischen Nationalparkverwaltung betrieben und hat seine besten Tage wohl hinter sich. Die Bäder sind teilweise kaputt und der Platz beginnt zu verwildern. Doch immerhin gibt es ein reichhaltiges Frühstück in einem Speisesaal einer ehemaligen deutschen Polizeistation. Das Plateau des Waterbergs erreicht man nur auf zwei Arten. Entweder im Rahmen einer geführten Safari im Auto über die einzige Zufahrtsstraße oder zu Fuß über einen steilen Wanderweg.

Ich buchte einen Platz bei einer Safari am Nachmittag, während Lisann und mein Vater sich im Camp ausruhten. Die rund vierstündige Fahrt auf dem Plateau war entspannend, jedoch sahen wir nur wenige Tiere. Die Giraffen und Antilopen mussten sich wohl im dichten Wald verstecken. Lediglich ein paar graue Säbelantilopen und einige Vögel sahen wir. Gegen Ende der Tour hatten wir doch noch Glück. An einem der künstlichen Wasserlöcher tauchten drei schwerfällige Büffel auf.

Auf dem Rückweg lief uns eine Familie von sieben Nashörnern über den Weg. Im Schlepptau folgten zwei Ranger. Die Nashörner in diesem Park werden rund um die Uhr von bewaffneten Aufpassern bewacht, um sie vor Wilderern zu schützen.

Am nächsten Morgen nahmen wir zu dritt die Wanderung auf den Waterberg in Angriff. In rund 45 Minuten kann man über einen recht steilen Weg die obere Kante des Plateaus erreichen und hat dann eine tolle Aussicht in die Landschaft.

Eine Reise geht zu Ende: Ruhige Tage am Rande von Windhoek

Nur noch zwei Nächte trennten uns von unserem Rückflug. Unsere letzten Tage in Namibia wollten wir ruhig angehen. Wir schliefen auf einer 60.000 Hektar großen Farm, nur wenige Minuten von Windhoek entfernt. Durch das trockene Savannenland zog sich hier sogar ein kleiner Fluss, an dessen Ufer wir unser Lager einrichteten. Der Betreiber der Monte Christo Farm, Fritz Roethel, hält hier rund 200 Rinder. Außerdem gibt es Bungalows, Baumhäuser und drei Stellplätze für Camping, jeweils mit eigenem Bad. Am Fluss liegt eine Bar mit Bier vom Fass. Außerdem kann man hier Bogenschießen. Den letzten Tag verbrachten wir also mit dem Jagen von Styropor-Tieren, die überall im Wald verteilt sind. Ein gut markierter Weg führt von einem Ziel zum nächsten. Die Tiere sind so positioniert, dass man nicht versehentlich andere Menschen abschießt.

Wir nutzen den freien Tag zum Packen und zum Aufräumen und Putzen des Autos. Nach zwei Nächten in der Monte Christo Farm brachten wir den Land Cruiser zurück und wurden zum Flughafen gefahren. Von Windhoek ging es überpünktlich per Direktflug nach Frankfurt, von dort mit dem Zug nach Berlin.

Diese Reise hat mir sehr gut gefallen. Zum einen war es schön, mal wieder mit Teilen der Familie unterwegs zu sein. Nun, da ich in Berlin lebe, konzentriere ich mich natürlich sehr auf mein eigenes Leben. Auf einer solchen Reise kann man sich mal wieder ein bisschen besser kennenlernen.

Außerdem fand ich den Süden von Namibia hochinteressant. Die unglaubliche Menge von Wildtieren und die skurrilen Landschaften lassen das Fotografenherz höherschlagen. Es war auch gut, der deutschen Kolonialgeschichte näher zu kommen. Heute scheint das Land friedlich und unabhängig. Doch die Schere zwischen arm und reich ist sichtbar groß und man muss feststellen, dass sich immernoch deutschstämmige, hellhäutige Namibier in den privilegierten Positionen befinden. Ein Namibianer berichtete mir, dass wohl nur fünf Prozent der Bevölkerung sogenannte Deutsch-Namibianer sind, dass ihnen aber rund 70 % der Landfläche gehört. Das bringt große Probleme mit sich, denn vielen Dorfbewohnern fehlt das Land, um selbst Tiere zu versorgen. Die dunkelhäutigen, ursprünglichen Bewohner des Landes sind oft arm und können ihre Kinder deshalb nur auf die schlechten, staatlichen Schulen schicken. So bleiben ihre Nachkommen weiterhin schlecht ausgebildet und entkommen der Armut nur schwer.

Namibia ist ein lohnendes Reiseziel, dem man mit einer gewissen Neugierde und Offenheit begegnen sollte. Für mich geht es nun auch bald schon wieder weiter. Ende Januar werde ich Dubai besuchen. Im Anschluss bin ich auf einer Hochzeit in Indien zu Gast und ab Anfang Februar folgt ein rund fünfwöchiges Filmprojekt in Nepal für das ZDF.

Ich hoffe, dass ich die Zeit finden werde, von diesen Reisen zu berichten.

Liebe Grüße,
Jonas

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2 Antworten

  1. Carina und Urs sagt:

    Soo ein schöner Blogeintrag und was für tolle Bilder 🥰 Wir haben die Zeit mit euch sehr genossen 🙂 hoffentlich sieht man sich irgendwann mal wieder 🍀 Liebe Grüße an die Gang

  2. erwin kafka sagt:

    Vielen Dank dir für deinen tollen, umfangreichen Bericht. Es ist sehr interessant und unterhaltsam und dann noch die schönen Aufnahmen. Ein schönes neues Reisejahr mit hoffentlich weiteren Erlebnissberichten. Liebe Grüße Erwin

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