Malaysias bunte Hauptstadt
von Jonas · 8. Dezember 2025
Das Jahr nähert sich seinem Ende. Auch in Berlin hat die graue Jahreszeit begonnen. Noch vor einigen Wochen konnte ich im goldenen Licht der abendlichen Herbstsonne auf dem Tempelhofer Feld skaten. Nun schmerzen schon nach ein paar Minuten im eisigen Wind die Ohren. Ich habe also die Flucht ergriffen. Vor dem kalten Wetter, aber auch vor einem wirren Jahr, das ich mit dieser Reise frühzeitig beenden möchte.
Ende November flog ich nach Malaysia. Eric, ein lieber Freund aus Kindertagen, wohnt seit ein paar Wochen in Kuala Lumpur, der turbulenten Hauptstadt des Landes. Dort erlebte ich ein paar spannende Tage. Ich entdeckte die schillernden Seiten einer in die Höhe schießenden Stadt, bunte Märkte, eine vielseitige Küche, aber auch dunkle Ecken voller Schmutz und Ratten.
Ich war nun sechs Monate lang in Berlin, nachdem ich Anfang des Jahres durch Indien und Nepal gereist war. Im Himalaya hatten wir wochenlang gedreht. Von den spannenden Erlebnissen und den großen Herausforderungen habe ich berichtet (Höhen und Tiefen in Nepal). Zurück in Deutschland schnitten wir bis Anfang Juli unsere neun Filme: einen langen Beitrag für die ZDF-Serie Abenteuer Auswandern sowie acht Kurzfilme für das Magazin Hallo Deutschland. Während der Postproduktion hatte ich endlich mal wieder einen geregelten, routinierten Tagesablauf. Ich fuhr morgens ins Büro, arbeitete acht Stunden lang und fuhr wieder heim. Abends traf ich mich mit Freunden oder machte Sport. Es waren schöne Wochen. Doch ich hatte weder die Zeit noch die Energie, um mir währenddessen ein Projekt für den Herbst zu suchen, und so erwartete mich nach Ende meiner Arbeit im Juli eine ungewisse Zukunft. Ich schlug verschiedene Themen vor, die allerdings von den Sendern nicht angenommen wurden. Ich konzentrierte mich aber auch auf Dinge, die ich schon ewig vor mir hergeschoben hatte: Renovierungen, Überarbeitungen des Reiseblogs und weitere Recherchen. Und ich war ständig unterwegs. Im Sommer besuchte ich Ausstellungen, kleine Konzerte, Theater, Opern und Kinos, aber auch politische Veranstaltungen, Fernsehtalkshows, berufliche Netzwerktreffen und mehr. Noch nie bin ich so tief in die vielseitige Kultur der Hauptstadt eingetaucht wie in diesem Jahr. Auch mein Freundeskreis vergrößerte sich immens, weil ich so viel unternommen habe. Doch mit fortlaufender Zeit war ich zunehmend erschöpft und auch unzufrieden. Irgendwie wirkte das Jahr für mich wie eine große Fehlplanung. Beruflich hatte ich mich in der ersten Jahreshälfte stark verausgabt und in der zweiten festgefahren. Das sind wohl die Herausforderungen im Leben eines Freiberuflers – aber für mich war es die erste Phase dieser Art, nachdem ich in den letzten Jahren durchgehend sehr aktiv war.
Nun ziehe ich einen Schlussstrich unter dieses Jahr und genieße meine große Reise. Malaysia ist nur der Auftakt: Es folgen Kambodscha, Thailand und Nepal. Drei Monate lang werde ich unterwegs sein. Mich begleitet die Vorfreude auf das nächste Jahr, für das ich schon jetzt einige spannende Ideen habe.
Der Flug nach Kuala Lumpur verlief reibungslos, war aber natürlich anstrengend. Zum einen, weil ich nach stundenlangem Sitzen immer wie gerädert bin. Und weil mir mehrmals die Deckel der Trinkflaschen aus der Hand fielen, die im Rest der Welt nicht an den Flaschen befestigt sind. Kleine und große Probleme. Nach rund einem Tag kam ich an.
Per Taxi ging es zu Eric. Er wohnt in einem riesigen Hochhaus am Rande des Zentrums von Kuala Lumpur. Seit einigen Wochen arbeitet er für eine deutsche Produktionsfirma und dreht Filme in Südostasien, hauptsächlich für Galileo. Kurz nach meiner Ankunft gingen wir draußen essen. Und weil wir beide noch Energie hatten, wanderten wir bei Nacht durch die Stadt. Ich bekam einen ersten Eindruck von der gewaltigen Metropole. Dutzende hell erleuchtete Wolkenkratzer strecken sich in den dunklen Nachthimmel. Ikonisch sind die Petronas Twin Towers. Die detailreichen Glasriesen sind die höchsten Zwillingstürme der Welt. Und nicht weit entfernt steht das Hochhaus Merdeka 118, das zweithöchste Gebäude der Welt. Kuala Lumpur bei Nacht ist eine beeindruckende Kulisse voller greller Lichter.
Am Abend, bei Dämmerung, besuchten wir außerdem den Fernsehturm der Stadt. Von der Aussichtsplattform im Freien bot sich ein weiterer spannender Blick auf die Stadt, im schönen Licht der blauen Stunde.
Ansonsten kann man unsere Unternehmungen als beinahe alltäglich bezeichnen. So erkunde ich eine neue Stadt ohnehin am liebsten. Wir besuchten einen lokalen Markt, wo es Fleisch, Fisch und Gemüse zu kaufen gab. Die Waren lagen meist ungekühlt auf großen Tischen. Hunderte Marktgänger streiften durch die engen Gassen zwischen den Ständen und bedienten sich in den Auslagen der Händler. Hier und da wurden die Hackmesser gezückt und ganze Hühner oder Fische zerlegt. Viele der Händler hatten lässig die Zigarette im Mund, während sie die Fleischwürfel in altes Zeitungspapier wickelten. Wir wateten durch Rinnsale aus Spülwasser und Essensresten, die langsam in die offenen Abflüsse mäanderten.
Dieser Markt, der sich bestimmt kaum von anderen in der Stadt unterscheidet, hatte zwei Gesichter. Denn nachts, wenn alle Menschen verschwunden waren, krochen Hunderte Ratten aus den Rohren. Die kleinen Nager flitzten überall herum: Sie fraßen die Reste auf dem Boden und den abgeräumten Tischen, zankten sich um den herumliegenden Müll und kletterten sogar bis ins Dach hinauf. Frühmorgens flüchteten sie zurück in die Kanalisation und die Händler breiteten erneut ihre Ware auf den Tischen aus.
Wir standen jeden Abend fasziniert am Rande des stinkenden Marktes und beobachteten das Treiben der Tiere. Ich erinnerte mich an eine Kurzgeschichte, die wir in der Schule gelesen hatten und die mich damals tief beeindruckt hatte. „Nachts schlafen die Ratten doch“, sagte da ein alter Mann zu einem Jungen, der Tag und Nacht seinen verschütteten Bruder in den Kriegstrümmern bewachte. Er könne nach Hause gehen, beteuerte der Mann, denn die Ratten schlafen, wenn es dunkel wird. Hier konnten wir sehen, wie aktiv die Tiere in Wirklichkeit besonders bei Nacht sind. Das Beobachten des Rattengewusels ließ mich immer wieder an diese Geschichte denken. In Kuala Lumpur leben nach Schätzungen mehrere Millionen Ratten, die auch tödliche Krankheiten übertragen. Ich habe schnell festgestellt, dass man diese Koexistenz hier akzeptieren muss. Immer wenn wir in kleinen Restaurants für ein oder zwei Euro unser Mittag aßen, dachten wir darüber nach, ob die Fleischwürfel auf dem Teller wohl vom Rattenmarkt stammen. Wenn nicht von diesem, dann bestimmt von einem anderen. Doch ich beobachtete, dass das Fleisch stets sehr lange gebraten wurde, was den Verzehr einigermaßen sicher machen sollte.
Bei Nacht erkundeten wir die Chinatown. In diesem Viertel leben wohl nicht nur Chinesen, sondern alle möglichen Ausländer, erzählte uns ein Taxifahrer. Er dagegen wohnt in einer Nachbarschaft, in die nur Einheimische ziehen dürfen. Viele Malaysier sind muslimisch. Doch in Chinatown spielt Religion kaum eine Rolle. Es gibt einige Bars und auf dem Grill liegt Schweinefleisch.
Ebenfalls im Zentrum befindet sich ein großer Streetfood-Markt, wo wir einmal abends essen waren. Auf der Jalan Alor „Food Street“ versammeln sich stets auch viele Touristen und direkt nebenan liegen laute Clubs, Bars und Massagesalons.
Doch wir verbrachten auch einige Zeit zu Hause und arbeiteten an unseren Laptops. Eric hatte noch offene Aufgaben für eine Galileo-Sendung und ich musste einige Dinge für das nächste Jahr organisieren. Erics Wohnung liegt im 28. Stock eines gewaltigen Hochhauskomplexes. Auf dem Dach, im 37. Stock, gibt es einen Swimmingpool.
Ich war nur vier Tage lang hier. Währenddessen bekam ich einen guten Eindruck von der Stadt. Sie ist verhältnismäßig ordentlich und sauber, mal abgesehen von den Ratten. Ich finde Kuala Lumpur aber weniger spektakulär als andere Millionenmetropolen in Südostasien. Am Dienstag flog ich nach Kambodscha, wo ich den ganzen Dezember verbringen werde. Hier möchte ich ohne Zeitdruck und ohne konkreten Plan herumreisen. Gelegentlich unterbreche ich meine Reise, so wie heute, um zu arbeiten. Ab Weihnachten wird mich Eric begleiten. Wir wollen im Süden des Landes tauchen. Für den Jahreswechsel fliegen wir nach Bangkok. Ich rechne mit einer großen Feier, aber ohne Straßenschlachten. Diese Erfahrung bleibt den Berlinern vorbehalten, und ich werde sie dieses Jahr verpassen.
Anfang Januar fliege ich nach Nepal. Bis Ende Februar arbeite ich zusammen mit meinem Kameramann Felix an einem großen Filmprojekt für eine NGO.
Die kommenden Wochen werden sicher eine vielseitige und spannende Reiseerfahrung bieten. Ich hoffe, dass es mir gelingt, währenddessen auch die beruflichen Weichen für das nächste Jahr sinnvoll zu stellen.


















































































































